Die Zeitgeisteskrankheit

Wir stehen vor einem wahrhaft nietzscheanischen Paradigmenwechsel: Nichts Geringeres als die Umwertung aller Werte dräut heran. Die Zeitgeisteskrankheit macht es möglich. Wo Klarheit war, soll Diffusion werden.  Wo das Ja, das Nein und die Verantwortung herrschten, soll fortan die Beliebigkeit walten. Wo Mann und Frau waren, sollen gegenderte Wesen ihr Leben fristen. Und wo Leben keimt, soll ein Menschenrecht auf Abtreibung erzeugt werden.

 

Zu guter Letzt löst man dann auch noch die Grenzen auf und gibt danach die europäische Kultur zeitgeistkonform in fremde Hände - was zu Ende gedacht aber kaum noch Bedeutung hat,  weil diese unsere einst so hochstehende Kultur nach dem Durchmachen der Zeitgeisteskrankheit ohnehin defekt bleiben wird. Andere werden uns danach eine ziemlich andere Kultur beibringen.

 

Begonnen hat die Zeitgeist-Diagnostik noch recht literarisch im 18. Jahrhundert mit Johann Gottfried Herders Betrachtungen über Wissenschaft und Kunst. Hans Magnus Enzensberger hat den Geist der Zeit in unseren Tagen dafür schon in einen ganz profanen Spruch gepackt: "Etwas Bornierteres als den Zeitgeist gibt es nicht. Wer nur die Gegenwart kennt, der muss verblöden."

 

Irgendwann dazwischen traf auch der Genius Goethe sein Zeitgeist-Urteil: „Wenn eine Seite nun besonders hervortritt, sich der Menge bemächtigt und in dem Grade triumphiert, dass die entgegengesetzte sich in die Enge zurückziehen und für den Augenblick im Stillen verbergen muss, so nennt man jenes Übergewicht den Zeitgeist, der denn auch eine Zeitlang sein Wesen treibt.“

 

Wir müssen diesem "Wesen" jetzt nur das Wörtchen Un- voranstellen und es in den Zeitgeist-Medien klar diagnostizieren, dann kann das Goethe´sche Diktum gemeinsam mit dem Enzensberger-Zitat auch heute noch als passende Beschreibung dessen gelten, was der Zeitgeist eigentlich ist.

 

Auffällig ist, dass dieser Geist und seine Gesundheit schon immer in Zweifel gezogen wurden. Dass er heute definitiv sehr schwer erkrankt ist, darüber besteht allerdings kein Zweifel mehr. 

 

Die untrüglichen Symptome der Zeitgeisteskrankheit sind schnell erklärt: 

 

1. Erosion und Degeneration von Freiheit, Recht und Verantwortung

Der Freiheitsgedanke, die Rechte und das persönliche Verantwortungsdenken sind zur Beliebigkeitsphilosophie verkommen. Man braucht heute keine persönlich verantwortlichen Menschen mehr, sondern nur noch Opfer, die in ihrem Anspruch auf dauernde Entschädigung beliebig Rechte einfordern dürfen, sich dafür aber aller Pflichten entledigen können. So glauben sie, eine neue Freiheit zu erlangen, verlieren dieselbe aber in genau jenem Tempo, in dem dieser Glaube sich entwickelt.

 

Dass damit auch eine progrediente Infantilisierung der Demokratie, ja der gesamten europäischen Zivilisation stattfindet, ist den wenigen, die noch den Überblick und die Macht haben, nur recht. Aber daran denken die Vielen, die nach immer mehr Rechten gieren, logischerweise gar nicht.

 

 

2. Die Degeneration und Erosion der spezifischen Geschlechter

Mann und Frau verlieren stetig an Unterschied und Erkennbarkeit, eine fortschreitende Egalisierung der biologischen Gegensätzlichkeiten zwischen Mann und Frau, ja sogar eine Leugnung derselben breitet sich aus. Unter dem Signum der Gleichheit zerfallen die alten Rollenbilder in Windeseile zu nicht mehr zueinander passenden Mosaiksteinchen und die Orientierung der Individuen an sich selbst, am Du und am Wir misslingt immer öfter.

 

Zum Ausgleich dieser Erosion hat man die Gender-Ideologie geschaffen. Die macht aber alles nur noch schlimmer: Bezeichnenderweise wollen Gender-Proponenten die sozialen Unterschiede der Geschlechter gesellschaftlich völlig einebnen, aber gleichzeitig Mann und Frau besser differenzierbar machen, indem sie etwa das Binnen-I und die diversen -Innen überall anhängen und das auch per Verordnung einfordern. Dass dieser schizoide Plan scheitern muss, ist Leuten mit Hausverstand klar. Den zahllosen Gender-ProfessorInnen und den in ihrem Schlepptau treuherzig mit-gendernden Politikern aber leider nicht.

 

 

3. Die Abtreibung als Menschenrecht

Der Schwangerschaftsabbruch soll in der EU als Menschenrecht institutionalisiert werden. Jede werdende Mutter muss nach dieser Vorstellung die offizielle und legale Möglichkeit haben, ihr Kind problemlos abzutreiben. Überdies soll die Abtreibung diesem Plan folgend als rein medizinsicher Eingriff gelten und so ent-emotionalisiert werden. Man soll abtreiben gehen können wie andere zum Zahnarzt. Konkrete Vorschläge dazu sind im (nach den im Thema federführenden EU-Abgeordneten benannten) Noichl-Report und im Tarabella-Bericht nachzulesen. Es ist müßig, darauf hinzuweisen, dass die völlig abstruse Forderung, Abtreibung als Menschenrecht zu installieren, einer der größten und menschenfeindlichsten Zynismen ist, die je in einer politischen Institution erfunden wurden.

 

 

4. Die Massenmigration

Zu guter Letzt wollen wir, schon schwer gezeichnet von der Zeitgeisteskrankheit, unsere europäischen Werte allen Menschen außerhalb Europas zugängig machen, denn wir sind überzeugt, dass wir diese Werte niemandem vorenthalten dürfen. (Übrigens auch die materiellen nicht: Was wir erwirtschaftet haben, das gehört doch bitte allen.)

 

Natürlich können und dürfen wir nicht dazu sagen, dass wir die westlichen, europäischen Werte für die besten der Welt halten, denn das wäre politisch inkorrekt und ein ganz böser Kultur-Imperialismus. Wo kämen wir denn dahin, wenn Europa laut sagt: Seht her, bei uns lebt es sich genau wegen dieser Werte am angenehmsten und am freiesten! Es ist viel zeitgeistiger, Selfies einer Kanzlerin in Umarmung mit Migranten weltweit zu verschicken,  denn ein Bild sagt mehr als tausend womöglich imperialistischen Worte.

 

So erzeugen wir das Dilemma, in welchem wir die Ankömmlinge unkritisch willkommen heissen, ihnen aber nicht klar und verpflichtend vermitteln können, was man bei uns darf und was nicht und was wir von ihnen erwarten. Mehr als die Hälfte der Neulinge sind überdies gar keine Notleidenden, ihre Asylanträge werden abgelehnt. Sie sind illegal hier und wir können und sollen ihnen weder Arbeit noch Aufenthaltserlaubnis geben. Dafür  aber können wir kaum jemand von ihnen zurück in seine Heimat bringen, weil wir in Brüssel und auch in den meisten EU-Nationen diesbezüglich politisch versagen. Zur Illustration des gewaltigen hausgemachten Problems: In 5 Jahren hat bereits die Hälfte der deutschen Männer unter 35 Jahren Migrationshintergrund - dass dies die Kultur und das gesamte Leben irreversibel und nachhaltig verändern wird, muss man nicht extra betonen.

 

Das Paradoxe dabei ist, dass die importierte Kultur einigen hier angeführten Zeitgeistphänomenen konträr, ja sogar feindselig gegenübersteht und ein Kompromiss gar nicht möglich scheint. Dies schrieb sinngemäß einer der profiliertesten Orient-Experten Europas, nämlich Professor Bassam Tibi kürzlich im "Cicero". Und leider muss man ihm das glauben. 

 

Subsummierend kann man die beschriebene Symptomatik als pathognomonisch für die Zeitgeisteskrankheit bezeichnen. Das Dumme daran ist: Wir haben dagegen noch immer keine wirksame Therapie. Und die Medikamente, die wir von Australien kennen und die gegen das letzte der hier angeführten Symptome wirken würden, trauen wir uns nicht zu verwenden. 

 

 

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    (Mittwoch, 06 Juli 2016 09:45)

  • #2

    pedrobergerac (Mittwoch, 06 Juli 2016 11:11)

    Wohin uns dieser Zeitgeist führ, kann man erschrööcklicherweise hier nachlesen.

    http://www.autark-werden.at/uploads/media/Gschwendtner_Was_uns_erwartet.pdf

  • #3

    Adept (Mittwoch, 06 Juli 2016 21:55)

    Die beschriebenen Zustände wären in einer altgermanischen Stammesgesellschaft nicht denkbar.
    Nachdem aber über Könige und Kaiser, Kommunisten , Nazionalsozialisten (!)
    und Demokraten über Jahrhunderte hinweg das Volk zerstört wurde, wird aus dem Konglomerat Brüssel, Gottglauben , Freimaurer und Parteien wohl das letzte Kapitel aufgeschlagen.
    Wenn alles zerschlagen ist, blüht das blaue Pflänzchen wieder auf.
    Der Geist ist unbezwingbar, das Leben kehrt zurück.

  • #4

    Ramiel (Freitag, 08 Juli 2016 04:51)

    Ein schöner und kluger Text. Vielen Dank.

    Der Glaube an Gott ist es, der den Menschen fehlt, und mit Gott meine ich nicht etwa eine Religion, sondern das göttliche Prinzip, das es auch schon gab, als noch keine Religion praktiziert wurde.

    Mancher sagt ja der Mensch habe Gott erschaffen als Wunschvorstellung in seinem Geiste, aber in Wahrheit ist es gerade umgekehrt, es ist Gott, der den Menschen erschaffen hat in Seinem göttlichen Geiste.

    Der Mensch ist arrogant geworden und grössenwahnsinnig, er stellt sich über die Schöpfung Gottes, er glaubt er könne alles besser machen, das Wetter manipulieren, Flora und Fauna genetisch verändern, Kinder abtreiben, ja sogar einen Supermenschen züchten, auch Transhumanismus genannt.

    All dies zeigt, dass der Mensch unserer Zeit verrückt geworden ist, dass er jedes Mass verloren hat, dass er sich selbst als das Mass aller Dinge sieht, als die Krone der Schöpfung. Es soll auch immer mehr Menschen geben, die sich tatsächlich für Gott halten, und zwar nicht nur die, die in Irrenanstalten sitzen.

    Gott bedeutet auch, dass wir für unsere Taten verantwortlich sind, dass jedes Unrecht, das wir begehen von Seinem Geiste gesehen wird, das alles, was wir tun, gerichtet werden wird, dass es so etwas wie eine absolute ewige Moral gibt.

    Aber der heutige Machtmensch in seiner Arroganz glaubt, er müsse nur des Menschen Gesetz kontrollieren, und schon stehe er über Recht und Unrecht, über gut und böse, und mache sich somit zu seinem eigenen Gott. Hochmut kommt aber immer vor dem Fall.

    Die Frage sollte nicht lauten, ob Du an Gott glaubst, sondern vielmehr, ob Gott noch an Dich glaubt, ob Er noch an die Menschheit glaubt, oder ob Er es bereut den Menschen erschaffen zu haben.