Ist die Sozialdemokratie am Ende?

Die Sozialdemokratie ist in einem paradoxen Dilemma gefangen. Trotz oder gerade wegen der Tatsache, dass die gemäßigte Linke viele ihrer Ziele bereits erreicht hat, wenden sich immer mehr Sympathisanten enttäuscht von ihr ab. Vermutlich ist es vor allem das Streben nach Gleichheit und gesellschaftlichem Ausgleich sowie der linke Internationalismus, welche den Niedergang der Sozialdemokratie vorantreiben.

Zwei soziologische Phänomene, die von der Linken lange negiert respektive zu spät bemerkt wurden, könnten dies beweisen: Zum Ersten mag im Zeitalter des Individualismus kaum jemand a priori von der Politik mit allen anderen in einen Topf geworfen werden, zu unterschiedlich sind die genuinen Interessen und Lebensziele des Einzelnen. Zwar findet die Linke noch immer ihre Anhänger bei vielen Intellektuellen und bei jenen, die sich gesellschaftlich benachteiligt fühlen.

Aber unter Letzteren wandern die Leute in Scharen ab, weil  ihnen national orientierte Parteien die besseren Angebote machen. Im Gegenzug äußern die linken Intellektuellen ihren Frust darüber im Feuilleton und wenden sich den neuen und alten linkslackierten Bobo-Fraktionen zu, auch wenn diese inhaltlich und weltanschaulich wenig zu bieten haben und ständig liberal mit beliebig verwechseln - gerade auch in ihren linken Facetten.

Zum Zweiten hat die Linke die vielen Fragen, welche die europäische Migrationsthematik mit sich bringt, zu lange missachtet und tut dies noch immer. Die von Links propagierte rasche Gleichstellung von Einwanderern, das vor allem in den Städten sichtbare und mittlerweile besorgniserregende Versagen beim Schaffen von wirksamen Integrationsmaßnahmen und die Forcierung einer längst nicht von jedem geschätzten Multi-Kulti-Politik riefen und rufen bei der autochthonen Bevölkerung Befürchtungen hervor, die von der Linken jahrelang mit einer gewissen Nonchalance behandelt, ja nicht einmal ernst genommen wurden. Angesichts der aktuellen, im Grunde völlig entglittenen  Migrationsproblematik sind die linken Parolen nun überhaupt zur reinen Abschreckung der eigenen Bürger degeneriert. Die Rechnung dafür präsentiert der Wähler zu jedem Anlass.

Daraus lässt sich ableiten, dass das linksideologische Streben nach sozioökonomischer Gleichheit und grenzenlosem Internationalismus  negative Effekte auf die Entwicklung und den Zustand unserer Gesellschaft hervorruft. Wenn diese Interpretation stimmt, dann könnte im Umkehrschluss die Ungleichheit und die Abgrenzung positive Auswirkungen auf dieselbe haben, zumindest aber können sie nicht so schlecht sein wie ihr von der Linken geprägter Ruf.

Diese These ist zu untersuchen: Wir behaupten einmal, Ungleichheit ist eine der Grundvoraussetzungen jeder gelungenen gesellschaftlichen Entwicklung. Weiters behaupten wir, dass sozialistische und kollektivistische Ideologien nicht zu jenem allgemeinen Glück führen, welches sie seit Marxens Zeiten versprechen. Die Argumente für diese These lauten: Nur unter grundsätzlich ungleichen Bedingungen können jene dynamischen Prozesse entstehen, die eine Weiterentwicklung von Gesellschaften ermöglichen.

Sozioökonomischer Fortschritt gelingt nur, wenn sich immer wieder Gruppen bemühen, mehr zu leisten als die Anderen. Wenn hingegen linksideologische Inhalte kontinuierlich in die Realität umgesetzt werden, beginnen sie früher oder später in eine für die Gesellschaft kontraproduktive Richtung zu wirken. Erstens weil die Linke zur Schaffung der Gleichheit notgedrungen wider die menschlichen Grundeigenschaften wie Individualität, Erfindungsgeist, Leistungsbereitschaft und Mut agieren muss. Zweitens widerspricht das Ideal der Gleichheit demjenigen der Freiheit, denn Gleichheit bedeutet immer auch einen Verlust an Eigenständigkeit. Egalitätsfördernde Maßnahmen sind regelhaft mit Einschränkungen verbunden.

Und drittens attackiert das Ansinnen der Gleichheit das Wesen des Lebens per se, denn alleine schon die biologische Evolution beruht auf Ungleichheit und Veränderung. Mit dem Wissen, dass Ungleichheit ein essenzielles Merkmal des Lebens ist, kann es keinen Zweifel darüber geben, dass gerade die Unterschiede zwischen den Menschen ganz grundsätzlich die Fülle von individuellen Möglichkeiten und Lebensläufen erzeugen und den Raum für jene Phantasien, Vorbildwirkungen und Kreativitäten bieten, aus welchen wiederum Wandel, Abwechslung und Fortschritt entstehen können.

Das Schaffen von Gleichheit funktioniert prinzipiell nur durch Gewalt oder Druck. Waren es früher Revolutionen, welche das Ideal der Gleichheit zumindest für eine Zeitlang etablieren konnten, ist es in Friedenszeiten nur durch staatliche Zwänge möglich, den Trend zur Egalität aufrecht zu erhalten. Über die Steuer- und Sozialgesetze wird heute versucht, gesellschaftliche Gleichheit herzustellen. Wenn der egalitäre Staat die Leistungswilligen aber zu sehr bremst, indem er die Umverteilung forciert und die selbst erarbeiteten Einkommen durch steigende Steuersätze limitiert, so kommt es bei den Leistungserbringern unweigerlich zu Unzufriedenheiten und letztlich zu Entsolidarisierungstendenzen.

Der Keim der Spaltung ist gesät: Die einen wollen immer mehr, weil es ihnen ja vom Staat im Namen der Gleichheit und der sozialen Gerechtigkeit versprochen wird und sie haben das Gefühl, es steht ihnen zu. Die andern wollen aber die dadurch stetig schwerer werdende Last nicht mehr tragen, ihre Leistung geht mittlerweile ohnehin schon zur Hälfte an den Staat. Selbst die mahnenden Hinweise auf das Ideal einer möglichst breitflächigen Verteilung des Wohlstandes zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens klingen da nur noch hohl. Am Ende führt der Gleichheitsgedanke jedenfalls zur Hemmung der gesellschaftlichen Prozesse und zur totalen Unzufriedenheit aller.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    helmut-1 (Donnerstag, 15 September 2016 18:10)

    Interessant, diese Sichtweise, - ich würde auch einiges dazu sagen. Bin aber nicht sicher, ob ich alles richtig verstanden habe. Manches konnte ich nur erahnen.

    Wäre es möglich, Herr Dr. Franz, dass Sie diesen Artikel insofern korrigieren, dass er auch am rechten Rand lesbar ist?

    Danke!