Der freie Arzt als Feind

Die Krankenkassen lassen gerade eine Rechtsgutachten durchführen, ob man es Spitalsärzten verbieten kann, dass sie außerhalb ihrer Spitalsdienstzeiten eine Wahlarzt-Ordination führen. Es gibt in Österreich aktuell an die 10.000 Wahlärzte und sehr viele von ihnen sind auch in einem Krankenhaus angestellt.

 

Das Argument der Verbots-Missionare lautet: Das neue Ärzte-Arbeitszeitgesetz wurde nicht deswegen eingeführt, damit die Mediziner mehr Freizeit für ihre Privat-Ordinationen haben, sondern dass sie ausgeruht für die Spitalsarbeit sind. Das ist natürlich Humbug. Es war einem Kassenfunktionär immer schon egal, ob Ärzte 80 oder 120 Stunden im Krankenhaus verbrachten, wichtig ist den Apparatschiks nur, dass die Kassen ihre Ausgaben niedrig halten. 

 

Es ist für die Kassen ja nur gut, wenn die Ärzte möglichst lange und viel im Spital sind, denn je mehr Leistungen intramural (also in einem Krankenhaus) durchgeführt werden, desto weniger wird naturgemäß in den Ordinationen getan - mit dem Effekt, dass die Kosten der Kassen sinken. Die Zuschüsse für die ewig defizitären Spitäler bleiben für die Krankenkassen immer gleich, denn sie sind gedeckelt - egal, wie hoch der Leistungs-Output im Krankenhaus ist. Das liegt am verqueren und kontraproduktiven dualen Finanzierungssystem. Deswegen gibt es auch vergleichsweise wenig Kassenplanstellen, denn nur damit kann das System "Krankenkasse" relativ billig bleiben. Das ist natürlich auch der nicht offen kommunizierte Wille des Hauptverbands: Im Spital soll möglichst viel, aber "draussen" möglichst wenig Leistung erbracht werden.

 

Eines ist klar: Wenn die Ärzte nun öfter und mehr in ihren Ordinationen sind, werden dort mehr Leistungen erbracht und da beginnt das große Knieschlottern bei den restriktiven Kassen. Denn auch die Wahlärzte sind wuchtige Kostenfaktoren für sie: Die Patienten bekommen 80% des Kassentarifs zurück, wenn sie zum Wahlarzt gehen. Das gewollte Rechtsgutachten beruht also keinesfalls auf dem Altruismus der Kassenfunktionäre, sondern da gehts ganz brutal ums Geld und um Kostenreduktionen.

 

In der Verbotsdrohung steckt aber auch noch etwas anderes, tieferes und gefährlicheres: Man will so den freien Berufen und besonders den Ärzten an den Karren fahren. Ärzte sind immer schon die archaischen Feindbilder von Gesundheitsbeamten und Kassenvertretern. Diverse ökonomisch monomane Spitalsmanager versuchen ebenfalls seit Jahren immer offensiver, den Ärzten am Zeug zu flicken, wo es geht. Der Arzt ist in deren Augen ein schwerverdienender Machtmensch, der überall nur abkassieren möchte und mit allem, was er tut, dem System Kosten verursacht.

 

Dass Ärzte einen der verantwortungsvollsten Berufe überhaupt haben und dass gerade Kassenfunktionäre und "Spitals-Obere" beim kleinsten Wehwehchen auch um 2 Uhr früh sofort den Doktor haben wollen, das wird in diesen Debatten immer gerne ausgeblendet. Die Doppelmoral feiert auch hier fröhliche Urständ`.

 

Überdies ist die Kombination "Spitalsarzt mit Ordination" die beste für den Patienten. Jeder Kranke hat in diesem Setting einen Arzt in der Praxis, der ihm schnell ein Bett in seinem Spital verschaffen kann, wenn eines notwendig ist. Und umgekehrt kann nach einem Spitalsaufenthalt kontinuierlich in der Wahlarzt-Ordination die weitere Betreuung erfolgen, ohne dass die gesamte Krankengeschichte immer wieder neu aufgerollt werden muss bzw. der Patient zu einem fremden Arzt gehen muss. Gerade chronisch Kranke profitieren sehr stark von diesen Gegebenheiten.

 

Das geplante Verbotsgesetz ist also durch nichts zu argumentieren und kollidiert mit dem Prinzip des Freien Berufs, den Interessen der Patienten und mit der gelebten sinnvollen Kultur der umfassenden Versorgung. Weder die Patienten, die Kammern noch die Ärzte selber können sich so einen Affront bieten lassen. Diese de facto Kriegserklärung der Kassen muss man im Keim ersticken, sonst ist der nächste, noch viel größere Ärztestreik bereits ante portas. Möglicherweise wird dieser dann sogar mit den Patienten zusammen durchgeführt.

 

 

 

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