Der Papst und seine Zeichen

Als Papst Franziskus das Pontifikat übernahm, waren die Hoffnungen groß: Der unkonventionelle und leutselige Mann aus Übersee schien gut geerdet und ihm wurde attestiert, nicht in der hochakademischen Theologie zu Hause zu sein, sondern in der gelebten kirchlichen Realität, die in der Nähe zum Kirchenvolk gipfelt.

 

Genau das scheint dem Heiligen Vater und den Katholiken aber nun immer mehr Probleme zu bereiten: Durch seine seriellen und öfters etwas wunderlichen Äußerungen zu vielen wichtigen Themen erzeugte er nicht nur mediale Präsenz, sondern auch Irritationen bei den Gläubigen. Sowohl die liberalen wie auch die konservativen Katholiken wissen nicht genau, woran sie sind und sie vermissen die Vorgabe eines klaren Kurses , sagte unlängst der bekannte konservative Kommentator Alexander Kissler vom renommierten Cicero-Magazin in einem Deutschlandfunk-Interview. Der Papst habe zwar die Bischöfe Westeuropas hinter sich, aber die Afrikaner würden fast geschlossen gegen ihn opponieren und die Stimmung im Vatikan sei sehr schlecht, so Kissler weiter.

 

Jetzt kann man natürlich einwenden, dass es im Kommunikationszeitalter besser ist, wenn ein Papst im allgemeinen Diskurs mitredet und dort das Risiko nimmt, nicht immer das Richtige zu sagen als wenn er traditionell päpstlich und ex cathedra, so wie es früher üblich war, seine Unfehlbarkeit präsentiert und fallweise eherne Verdikte von sich gibt.

 

Doch das ist zu kurz gedacht, denn genau das ist das Problem: Gerade in unseren Zeiten der Orientierungslosigkeit und der diffusen Ängste und Wirrnisse braucht es Persönlichkeiten, die Pflöcke einschlagen, Leitlinien vorgeben und sich klar positionieren. Im allgemeinen Geschrei der tausend Meinungen und der allerorts in den Himmel wachsenden Ansprüche an das Leben und an die Gesellschaft ist jemand, der aus der festgeschriebenen katholischen Lehre heraus seine klaren Empfehlungen abgibt, dringend vonnöten. Auch im säkularen Bereich haben Päpste nicht unwesentlichen Einfluss, denn für die Medien sind Papst-Worte immer berichtenswert. Und sie stoßen daher immer wieder gesellschaftliche und auch politische Debatten an.

 

Ein Papst kann und soll sich fallweise unters Volk mischen und den Leuten zuhören und ihre Sprache sprechen. Er kann und soll ihnen dann aber auch sagen, wo es aus päpstlicher Sicht lang geht. Die Leute haben nichts davon, wenn heikle Themenfelder kurz beackert werden, dann aber weiter brach liegen. Sei es das Diakonat für Frauen oder die Kommunion für Wiederverheiratete oder der Umgang mit der Homosexualität, Franziskus gab dazu einige teils kantige und unkonventionelle Kommentare ab und äußerte Änderungswillen - allein, es blieb bei den Äußerungen.

 

In der alles überschattenden Frage unserer Zeit verunsichert der Papst einen großen Teil des Kirchenvolks mit seiner nicht ganz eindeutigen Position: Seine offensichtliche Sympathie für die Massenmigration, wiewohl er auch hier manchmal zwiespältig ist, irritiert vor allem die Konservativen. Von seinem Statement, dass wir in Europa zweifellos gerade eine arabische Invasion erleben und dieses Problem lösen müssen bis hin zum denkwürdigen und ambivalenten Zeichen, als er muslimische Familien von Lesbos in den Vatikan mit- und dort aufnahm, reicht seine diesbezügliche Bandbreite. Der Familien-Import hat gehörig Aufmerksamkeit und Verwunderung erzeugt, zumal in den umkämpften Regionen des Orients viele Christen täglich in Lebensgefahr sind und kaum die Möglichkeit haben, dort wegzukommen. 

 

Viele Katholiken vermissen  eine klare Haltung, wo Papst und Kirche in dieser größten europäischen Krise seit 1945 stehen. Und viele haben den Eindruck, dass sich der Papst und eine Reihe von Bischöfen mehr an den Ansprüchen der Migranten orientieren als an den berechtigten Befürchtungen der Europäer. Klar ist freilich, dass von Christen Hilfe geleistet werden muss, wo diese notwendig ist. Klar ist aber auch, dass es definitiv eine Bedrohung der christlich-abendländischen Kultur gibt, auf die die Kirche bisher nur zaghafte Antworten gefunden hat und daher kaum Empfehlungen abgeben kann, wie mit ihr umzugehen ist.

 

Sicher ist: Man kann sich nicht auf Dauer  hinter Formeln wie "Menschlichkeit und Solidarität" verstecken. Es gibt auch den Missionsauftrag und es gibt das Recht zur Verteidigung, es gibt faktische Handlungsnotwendigkeiten und vor allem gibt es begrenzte Ressourcen, die zur Klarheit zwingen und es gibt Wünsche und Befürchtungen der Europäer und die Erwartung, dass die Kirche etwas sagt und tut. Und es gibt Anzeichen, dass es die anderen nicht so gut mit uns meinen und so harmlos sind, wie uns das manche Kirchenfürsten glauben machen wollen.

 

Franziskus muss ja wirklich kein "Deus lo vult" ausrufen (so wie das einst Papst Urban II. tat, der damit die Kreuzzüge legitimierte), aber es wäre für die noch immer sehr zahlreichen europäischen und z.B. in Österreich die Mehrheit bildenden Katholiken überaus hilfreich, würde der Papst ein klare Stellung beziehen, aus der auch die Strategie und der Wille der Katholischen Kirche ablesbar ist. Wir wollen wissen, wo die Reise hingeht.

 

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    Josef Huber (Montag, 03 Oktober 2016 21:36)

    Sehr geehrter Herr Dr. Franz,
    So sehr ich auf einen kritischen Artikel ihrerseits zu Papst Franziskus gewartet habe, so sehr bin ich doch auch enttäuscht über Ihr mildes Urteil, das wohl einem tiefen Respekt entspringt, der allerdings offensichtlich Erkenntnis lähmend ist. Ich kann ich nicht die Milde walten lassen, die Ihrem Artikel zu entnehmen ist .
    Das Fatale der Äußerungen dieses Papstes liegt meines Erachtens darin, dass er die tödliche, ja, ich sage bewusst "tödliche" Bedrohung der christlichen Kultur durch den von den Einwanderern mitgebrachten Islam nicht erkennt oder nicht zu verbalisieren wagt. Zum anderen verwechselt er offensichtlich VerantwortungsKultur mit GesinnungsKultur - und gibt damit eine völlig falsche Richtung für unser Verhalten gegenüber der illegalen EinwanderungsFlut vor. Ein Irrtum, der sich bis in die Fürbitten der Gottesdienste eingeschlichen hat.

    Erlauben Sie mir noch eine sprachliche Bemerkung.
    Sie schreiben euphemistisch :" in den umkämpften Regionen des Orients viele Christen täglich in Lebensgefahr sind und kaum die Möglichkeit haben, dort wegzukommen."
    Christen werden in unerträglichem Ausmaß als die am meisten gehasste religiöse Gemeinschaft durch Muslime HINGESCHLACHTET , nicht nur " bedroht" . Alle 5 Minuten wird ein Christ ermordet, lese ich in DIE WELT (https://www.welt.de/debatte/kommentare/article109334415/Alle-fuenf-Minuten-wird-ein-Christ-getoetet.html) Das sind 288 pro Tag und über 100 000 pro Jahr! Da geht Mir schon der Hut hoch, wenn dann in einer Predigt davon die Rede ist, dass Christen in vielen Regionen "Nachteile" dafür hinnehmen müssten, weil sie Christen sind. Welch eine Semantik des Wortes Nachteil !
    Und was steckt dahinter? Die politische bzw. religiös- politische Korrektheit, die meines Erachtens in einer Predigt nichts zu suchen hat.

    Angesichts dieser furchtbaren Bedrohung des christlichen Glaubens durch den Islam scheinen mir Fragen wie Frauen-Diakonat geradezu von lächerlicher Geringfügigkeit. Worauf es ankäme : Christen aller Denominationen müssten sich mit den Juden in aller Welt als Schicksalgemeinschaft einer gemeinsamen Kultur im Widerstand gegen den Islam zusammen finden. Doch diese weltweite Kraft der Solidarisierung scheint es gegenwärtig nur im Islam zu geben. Und dort mit wachsender Fanatisierung- um das schöne Wort "Überzeugung" nicht zu beschädigen.



  • #2

    helmut-1 (Donnerstag, 06 Oktober 2016 05:25)

    Herrn Josef Huber:

    Muss ich Ihnen angesichts der täglichen Ereignisse beipflichten. Das Verhalten des Papstes gegenüber den Muslimen, resp. deren Handhabung der Glaubensfreiheit kann man - wenn man völlig verblendet ist - als Versuch des Brückenschlages interpretieren. Man kann es aber auch so sehen, wie es von den Muslimen aufgenommen wird, - nämlich als unterwerfliche Anbiederung.

    Natürlich hilft den Christen in den Islamzonen dieses Verhalten kein Jota weiter, - im Gegenteil. Die muslimischen Führer wissen, dass sie ungestraft und ohne jegliche Konsequenzen weiterhin gegenüber den religiösen Minderheiten tun und lassen können, was sie wollen.

    Die Anwendung der Seligpreisungen aus der Bergpredigt sind vielleicht eine christliche Auslegung oder Erklärung der Verhältnisse, - aber sie helfen den Betroffenen absolut nicht, - im Gegenteil. Auf diese Weise wird gefördert und manifestiert, dass die christlichen Minderheiten in den islamischen Gebieten mittelfristig völlig eliminiert werden.

    Überhaupt ist nicht erkennbar, inwieweit der Papst ein Interesse dran hat, der christlichen Lehre Bestand zu geben. Seit Jahrzehnten existiert, insbesonders in der Diaspora, der Wunsch nach Vereinigung der christlichen Strömungen. Beispielsweise hier in Siebenbürgen. Da leben katholische neben den evangelischen genauso wie neben den orthodoxen.

    "Divide et impera" - schon Cäsar kannte das. Die Kirchenaustritte aus den unterschiedlichsten Gründen - aus allen genannten Kirchen - gehen voran. Irgendwann wird jeder Bischof oder Patriarch seine Gläubigen mit vollem Namen kennen, so wenige werden es nur noch sein.

    Wir haben ein irrsinniges Glück, dass sich die Sunniten und die Schiiten innerhalb des Islam nicht grün sind. Von den Aleviten reden wir erst gar nicht, sie sind zahlenmäßig unbedeutend. Gäbe es einen religiösen Führer in der islamischen Welt, der von allen Glaubensrichtungen anerkannt ist und der in der Lage wäre, auf fanatische Weise sämtliche Moslems auf eine Linie zu bringen, - dann könnten wir bereits morgen damit beginnen, die Kreuze von den Kirchen abzumontieren und Platz für die Sichel zu machen.

    Was wir brauchen, ist eine neue Reformation, viel grundlegender, als es Luther damals getan hat. Aber damit muss es möglich sein, sämtliche Christen wie unter einem Dachverband zu vereinen, wobei es jeder Richtung zugestanden bleibt, ihre spezifische Liturgie auszuleben. Denn es ist heutzutage, wo die Zeichen der Zeit laut und hörbar Alarm schlagen, völlig nebensächlich, ob der eine drei Kreuzzeichen macht, der andere nur eines, und der nächste gar keines.

    Neben der verfehlten Politik gegenüber den verfolgten Christen, die natürlich von den Moslems als Schwäche ausgelegt wird, gibt es keinerlei erkennbare Bewegungen in der Annäherung der christlichen Glaubensrichtungen. Wie sollen wir einen überzeugenden Standpunkt in der Welt vertreten können, wenn wir in den grundsätzlichsten Fragen innerhalb der Christen selbst keine Einigung erzielen können? Wie kann so etwas möglich sein, 2000 Jahre nach dem Wirken Christi, dass wir innerhalb der christlichen Strömungen unterschiedliche Termine zum Weihnachtsfest haben und beim fundamentalsten Bindeglied aller Christen, der Auferstehung, die wir zu Ostern feiern, genauso?

    Auf Anfragen in Richtung Vatikan, z.B. zum Chef der Glaubenskongregation, Herrn Dr. Müller, erhält man keine Antwort. Halt, - einmal ist doch eine Antwort gekommen, - man hat mir mitgeteilt, dass zum Bedauern des Vatikans kein Maileingang in dieser Sache zu verzeichnen ist. Wobei wir alle wissen, - wenn es keine Fehlermeldung gibt - dass nur die Mails nicht ankommen, die nicht ankommen sollen.

  • #3

    helmut-1 (Donnerstag, 06 Oktober 2016 05:49)

    Noch ein Nachtrag zum Vorgesagten:

    Da ich zu den Leuten gehöre, die jedwelche Kritik ohne Alternative, ohne einen Vorschlag, wie man es besser machen könnte, als halbherzig und unglaubwürdig empfinden, möchte ich dieses Prinzip auch hier beibehalten.

    Was kann man ändern, wie kann man als Einzelner, als unbedeutendes Staubkorn, dazu beitragen, dass sich in dieser Sache etwas bessert?

    Antwort: Kurzfristig leider nicht, aber langfristig. Wie kann das gehen?

    Da sich die Kirchenführer, - ungeachtet der Coleur - kaum bewegen, muss der Druck von unten kommen, von den Gläubigen selbst. Da ich nicht zu denen gehöre, die Wasser predigen und Wein trinken, gilt das auch für mich. In meinem engsten Familienkreis sind alle drei hauptsächlichen christlichen Richtungen vertreten, - kath., evang. und orthodox. Wenn ich das Bedürfnis nach einem Kirchenbesuch habe, dann gehe ich mal in die eine, mal in die andere Kirche, nehme auch an den Sakramenten teil, - ich habe da keine Berührungsängste.

    Dadurch bewirkt man, - weil ich nicht der Einzige bin, der so denkt und handelt, - dass die Kirchen zunehmend leerer werden, weil man sich selbst kaum klonen kann. Der Gegenbeweis wird z.B. in unserer Stadt in der Adventszeit erbracht, wenn das traditionelle Weihnachtskonzert stattfindet, wo alle christlichen Konfessionen in einer Kirche zusammenkommen. Die Bänke sind dann bis auf den letzten Platz gefüllt, viele müssen stehen.

    Natürlich registrieren das auch die einzelnen Pfarrer, - und die diskutieren das auch auf ihrer Ebene. So kann langsam der Druck von der Basis wachsen. Wenn es dann irgendwann zu einer Vereinigung der Christen kommt, kann man wieder zur alten Stärke zurückfinden. Diese Stärke ermöglicht dann, wieder die Eckpfeiler zu markieren, auf die es ankommt.

    Genau das ist es, was die Christen in der Diaspora brauchen, auch in den islamischen Ländern. Genau das kann ihnen weiterhelfen. Aber leider werden da noch viele Christen ihr Leben lassen müssen, bis es einmal so weit ist.