Neulich, im linksgrünen Biotop

"Der Begriff Biotop ist wertfrei. Man bezeichnet damit natürliche oder vom Menschen erschaffene Landschaftsbestandteile. Biotope werden auch häufig als Lebensräume für bedrohte Arten gesehen."

So lautet (gekürzt) die Definition in Wikipedia.

 

Ein solches Biotop ist der vom Menschen geschaffene und von ihm zwangsfinanzierte ORF. Wie in allen geschützten Biotopen gedeihen dort immer wieder pittoreske Blüten und besonders gut dürfte der reichlich vorhandene Dünger den linksgrün wuchernden Sumpfpflanzen tun. Die Linksgrünen gelten ja in der freien Wildbahn zwar längst als gefährdet, aber am Küniglberg scheint das Gegenteil der Fall zu sein.

 

Gestern trieb im nämlichen Biotop wieder eine ganz besondere Blüte aus: Es erfolgte die interne Neubestellung der Leitung für die bekannte Polit-Talkshow "Im Zentrum". Das Ergebnis: Frau Claudia Reiterer wird Frau Ingrid Thurnher, die zuletzt wegen zweifelhafter Moderationen in die Kritik geraten war, als Chefin nachfolgen.

 

Die Bestellung ist fachlich sicher gut begründbar, denn Frau Reiterer ist eine erfahrene und bekannte Journalistin. Die Sache hat nur einen klitzekleinen Schönheitsfehler: Ihr Mann Lothar Lockl ist gerade aktiver Wahlkampfleiter für den grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander van der Bellen. Als solcher ist Herr Lockl mindestens bis zum Wahltag (4.12.) rund um die Uhr höchst parteiisch unterwegs und muss auch danach trachten, den Kandidaten VdB so oft wie möglich medial unterzubringen - am besten beim ORF natürlich, denn der hat noch immer die größte Reichweite aller Sender. Allerdings steht der ORF als öffentlich-rechtliche Institution gesetzlich auch unter dem Objektivitätsgebot und muss ausgewogen berichten. 

 

Politmediale Verflechtungen und willfährige Dienstleistungen in Richtung Linksgrün sind nichts neues, gerade beim ORF nicht. Mit welch kaltschnäuziger und impertinenter Offensivität sie aber derzeit weiterentwickelt und geradezu perfektioniert werden, das ist neu.

 

Zuletzt haben wir den Ex-Bundespräsidenten Heinz Fischer vom ORF zum politmedialen Großangriff präsentiert bekommen: Fischer sprach sich in "keiner Wahlempfehlung" (sic!) explizit für VdB aus und er wird ihn natürlich auch wählen, sagte er. Und jetzt wird das Flaggschiff der Polit-Diskussionen von einer neuen Kapitänin geentert, die direkte und kürzeste Verbindungen zum Polit-Büro des Kandidaten VdB hat. Alles nur Zufall, oder?

 

Aus Sicht der meisten, sonst so kritischen ORF- Reporter und auch offensichtlich aus jener von fast allen Print-Journalisten ist das alles überhaupt und gar kein Problem. Die fachliche Eignung sei ja gegeben und Frau Reiterer beginne erst im Jänner, nach der Wahl, so wurde moniert. Und man dürfe doch keine Sippenhaftung einführen und auch Ehepartner hätten das Recht auf freie Berufswahl und das hat doch bitte alles nix mit nix zu tun und überhaupt sei Frau Reiterer nicht die gleich von einem Österreich-Medium chauvinistisch so genannte "Frau von Lockl", sonder eben eine eigenständige und erfolgreiche Person.

 

Jo eh. Alles richtig. Aber es geht halt gerade bei öffentlich-rechtlichen Medien und den dort politisch tätigen Redakteuren immer auch um die Optik und um die Hintergründe der einzelnen Akteure. Und diese Optik ist im gegenständlichen Fall ziemlich schief - eben infolge des Hingtergrunds.

 

Man stelle sich nur einmal vor, was in diesem Land los wäre, würde etwa die Ehefrau von FPÖ-Wahlkampfleiter Kickl journalistisch tätig sein und plötzlich eine mediale Leitungsfunktion beim ORF bekommen. Der Shitstorm würde das linksgrüne Biotop zum Brodeln und Überlaufen bringen und die üblichen wackeren Kämpfer gegen Rechts würden sich vor Kritik geradezu überschlagen und heiser schreien und sich die Finger wund schreiben.

 

 

Die ganze Chose tut dem ORF gar nicht gut und sie ist auch alles andere als ein Start-Bonus für die ehrgeizige Journalistin Claudia Reiterer. Ihrem Ehemann, dem VdB-Wahlkampfleiter Lockl, wird die Geschichte ebenfalls schaden. Und ganz ordentlich wird der Kandidat selber damit angepatzt. Die Leute im Volk sind ja nicht blöd, man hat von diesen Dingen die Nase gestrichen voll. 

 

Womit man beim ORF offenbar noch immer nicht rechnet, ist die Macht der Social Media. Der Wahlkampf wird hauptsächlich dort entschieden und die TV-Medien können da nur noch wenig tun. Die Chance des ORF wäre es gewesen, sich gemäß seines gesetzlichen Auftrags als möglichst objektiver Apparat zu präsentieren und damit Punkte zu machen. Aber langsam entsteht der Eindruck, dass der ORF bereits aufgegeben und nur noch nach dem Motto agiert: Eh schon alles wurscht, im letzten Gefecht ist alles erlaubt.

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Kommentare: 3
  • #1

    Diederich Heßling (Samstag, 08 Oktober 2016 12:07)

    Verehrter Herr Dr. Franz,
    danke für den aussagekräftigen Artikel!
    Aber ich kann Ihnen versichern, Claudia Reiterer wird nicht am Jahreswechsel ihren neuen Job antreten.
    Und das linksgrüne Biotop auf dem geschichtsträchtigen Küniglberg wird zu dem Zeitpunkt in dieser Form nicht mehr existent sein.
    Nehmen Sie meine Aussage als Prophezeiung.

    Herzliche Grüße von der sonnigen Krim.

  • #2

    helmut-1 (Samstag, 08 Oktober 2016 13:49)

    Diederich Heßling:

    Spes ultima moritur, wie der Lateiner sagt, - oder "die Hoffnung stirbt zuletzt".

    Was meine ich damit: Wenn es die Leute, die noch mit zwei Beinen auf dem Boden stehen und deren Gedankengänge noch nicht vernebelt sind, nicht schaffen, sich und ihre Gleichgesinnten derart zu überzeugen, dass auch der letzte zur Wahl gehen muss, dann geht das alles aus wie das Hornberger Schießen.

    Zuviele denken, - jeder weiß doch, was Sache ist und wird Hofer wählen, ob ich persönlich jetzt auch zur Wahl gehe oder nicht, das fällt doch gar nicht ins Gewicht. Genau das ist der Casus cnactus. Genau das wird bewirken, dass Hofer nicht gewinnt. Es sei denn, "einst wird es wieder helle, in aller Brüder Sinn,", - dass so eine Überlegung noch eintritt. Aber die Chancen sind gering: Der Hauptfeind heißt: Bequemlichkeit.

  • #3

    Diederich Heßling (Samstag, 08 Oktober 2016 13:59)

    helmut-1:

    Als kurze Antwort: Bequemlichkeit wird zum Jahreswechsel ein Fremdwort sein. Und wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten...