Gegen Eliten?

Der österreichische Bundeskanzler Kern gab Ende Oktober dem Chefredakteur des deutschen "Zeit"-Magazins ein großes und vielbeachtetes Interview. Dass der Kanzler reden kann, wissen wir. Und dass er gerne auch mal kantige Sager von sich gibt, das wissen wir auch. Was wir seit dem Interview aber noch besser wissen als davor: Er baut inhaltlich allzu sehr auf die traditionelle und überkommene linke Ideologie. Etliche seiner Aussagen klangen daher ein wenig verstaubt und irgendwie nach Post-68er-Studenten-Rhetorik.

 

Der Kanzler sprach im Interview davon, dass sich die Bürger wünschen würden, die "Eliten auf den Knien zu sehen" und er warnte vor einem Eliten-Dialog. Damit liegt er zwar ideologisch ganz auf der Linie der linken Gleichheits-Dogmatiker, aber faktisch ist es falsch, die Notwendigkeit von Eliten in Abrede zu stellen. Und es ist auch nicht richtig, dass die Bürger keine Eliten wollen. Im Gegenteil: Die Bürger haben die größte Sehnsucht nach Eliten.  Es müssen nur ordentliche, ehrliche und leistungsstarke Eliten sein und sie müssen sich ihren Elite-Status in irgendeiner Weise glaubhaft erarbeitet oder verdient haben. Wenn das der Fall ist,  dann haben die Eliten die Unterstützung und die Sympathie der Bürger - ganz egal, um welchen Bereich es sich handelt. 

 

In der Politik ist es mit den Eliten ähnlich. Es gibt nur einen einzigen, aber wesentlichen Unterschied zu anderen Bereichen: In der Politik müssen Eliten im Wortsinn gewählt sein (Elite=Auswahl). Und wenn sie nach der Wahl echte Elite sein und bleiben wollen, dann müssen sie sich eine authentische politische Haltung bewahren und sie müssen unbeirrt eine klare Linie vertreten. Dann haben sie ebenfalls die Unterstützung und die Sympathie der Bürger.

 

Allerdings funktioniert die politische Elitenbildung (also das Wahlrechtssystem) in Österreich noch immer viel zu wenig nach dem Persönlichkeitsprinzip und noch immer viel zu sehr nach einem parteienstaatlichen Grundsatz. Insofern hat der Kanzler recht: Die alteingesessenen Partei-"Eliten" hat man nicht so gern, man nimmt sie höchstens als notwendiges Übel hin. Aber Herr Kern ist Regierungschef, er könnte gemeinsam mit dem Parlament eine große Wahlrechtsreform schaffen und wir könnten das System ähnlich wie in England auf ein wirksames Persönlichkeitswahlrecht umstellen. 

 

Die Politik muss sich viel mehr an echten Eliten orientieren, statt diese in Abrede zu stellen. Es müssen viel mehr verdiente Bürger Mut und Lust finden, in die Politik zu gehen und dafür muss die Politik  ihre Attraktivität als Gestaltungsmacht wiedergewinnen. Politik zu machen muss (wieder) zur Aufgabe der Elite werden. Jeder Mensch weiß, dass nur Eliten die Gesellschaft voranbringen, auch wenn fundamentale Linke das immer wieder leugnen.

 

Die Mehrheit der Bürger - und natürlich insgeheim viele Linke - hat ein mehr oder weniger starkes Bedürfnis, in irgendeiner Sparte zur Elite zu gehören. Es gibt in der Gesellschaft keinen irgendwie erdenklichen Bereich, in dem der Durchschnitt oder die dogmatische Gleichheit erstrebenswert wären oder diese grundsätzlich Vorteile brächten - mit einer Ausnahme: Die Gleichheit vor dem Gesetz. 

 

Der Ehrgeiz und der Wille zum Besseren gehört zur Natur des Menschen. Die Gleichheit gehört da nicht dazu. Nach der Elite zu streben ist daher nicht nur in Wissenschaft, Kunst, Sport, Bildung usw. der stärkste Antrieb, sondern in Wirklichkeit auch in der Politik ganz massiv (und zu Recht!) die Triebkraft schlechthin. Man gibt das halt nur sehr selten zu und man versteckt den Ehrgeiz lieber hinter altruistisch klingenden Floskeln.

 

Ein ehrlicher Politiker muss zweifellos seiner Nation dienen, aber er kann und soll auch zugeben: Ja, ich will etwas erreichen in der Politik, weil die Politik eben jenes Instrument ist, mit dem man die Dinge ändern kann. Und ändern kann man die Dinge nur, wenn man der Wahrheit ihren Raum gibt und nicht ins parteipolitische und lobbyhörige Geschwurbel verfällt. Denn dann endet man in der von Kern zu Recht kritisierten Version der "Elite" - nämlich in jener mit den Anführungszeichen.

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Kommentare: 2
  • #1

    Walter (Donnerstag, 03 November 2016 08:20)

    Nein , ich will die " Eliten " ( lustige Beschreibung fuer gewisse Typen ) nicht auf den Knien sehen.
    Blos die Helfer und Ermoeglicher der Invasion und deren Folgen abgeurteilt, mit Strafen angemessen an den angerichteten Schaden und im Gefaengnis.

  • #2

    helmut-1 (Donnerstag, 03 November 2016 22:34)

    Wenn man sich auf den letzten Absatz beschränkt, der ja die Quintessenz des Beitrags darstellt, dann komme ich zu zwei Aspekten:

    1) Frage: Kann ein Politiker seiner Nation, seinem Vaterland oder dem Staat, der ihn angelobt hat, dienen, wenn er keine Fachkenntnis in Sachfragen hat? Natürlich gibts auch Problembereiche, wo man den gesunden Hausverstand einsetzen kann (und auch sollte, - was aber oftmals unterbleibt).

    Gibts überhaupt noch Politiker, die einen vernünftigen Beruf gelernt haben, bevor sie indie Politik gegangen sind? Zufälligerweise ist mir einer bekannt, der ist Arzt und heißt Dr. Franz. Aber ansonsten siehts da ziemlich mau aus.

    Gibts überhaupt Politiker, - um die Frage anders zu formulieren, die sich in dem Fall, wenn sie von der entsprechenden Materie keine Ahnung haben, sachkundig machen, - entweder bei Fachleuten oder im Internet? Ich meine natürlich, bevor sie ihre Meinung darüber abgeben. Oder genügt es, das einfach nachzuplappern, was die Fraktion vorgibt?

    2) Damit komme ich zur Person des derzeitigen Bundeskanzlers. Klar gibts keine Bundeskanzlerschule, - aber zumindest Verwaltungswissenschaften sollte man studiert haben, wenn man sich für so ein Amt bewirbt. Wenn ich mir das so ansehe, was Herr Kern gelernt hat, dann kommen mir da gewisse Zweifel.

    Ich hab mal versucht, das anhand der Infos aus dem Internet nachzuvollziehen. Gehen wir mal davon aus, dass Herr Kern mit 6 Jahren den Schulbesuch begonnen hat und dann in der üblichen Zeit seine Matura gemacht hat. Dann hätte er 1984 maturiert. Von Bundesheer habe ich nichts gelesen, - also könnte er danach bereits studiert haben.

    Dazu schreibt man von der Uni Wien sein Studium in Publizistik. Schön. Das muss dann höchstens 5 Jahre gedauert haben, denn bereits 1989 hat er seine berufliche Laufbahn begonnen, und zwar als Wirtschaftsjournalist. Gut, auch wenn man im Fach "Wirtschaft" nicht ausgebildet wurde, - das kann man sich ja aneignen.

    Seine fachlichen Qualifikationen hat er - so wie ich erkennen kann - in der Partei erworben. Beispiel: Bereits 2 Jahre nach Beginn der beruflichen Laufbahn - Assistent des Staatssekretärs. 1994 Büroleiter des Obmannes des SPÖ-Parlamentsklubs. Daneben blieb aber genügend Zeit, um 1997 bei der Uni seine Diplomarbeit einzureichen, die ihm - 12 Jahre nach Studienbeginn - den Abschluss als Mag.phil ermöglichte.

    Leider kenne ich keine Einzelheiten, aber so stellt sich das lt. Internet dar. Irgendwann war er auf dem Management-Zentrum St. Gallen (MZSG), wo er eine "postgraduale Ausbildung" absolvierte, was das auch immer heißen mag. Es ist nicht zu erkennen, wie lange er dort war und welchen Abschluß er erreicht hat. Fest steht, dass es nicht zu einem nennenswerten Abschluss geführt haben kann, weil sonst sein Name unter der Rubrik "Bekannte Studenten/Absolventen" aufgeführt wäre.

    Alles in allem frage ich mich, woher Herr Kern das Zeug zum Bundeskanzler hernimmt. Nur aus der Parteibibel?