Reboot the system !

Die Probleme und Konflikte im öffentlichen Gesundheitswesen (GW) entstehen grundsätzlich aus den dort zu beobachtenden konträren Interessen der Akteure bzw. der Finanziers.

 

Volkswirtschaftlich betrachtet heißt das oberste Ziel im GW Ausgabenminimierung und Kostenbegrenzung, betriebswirtschaftlich gesehen gilt hingegen für die Akteure im GW naturgemäß die Devise Gewinnmaximierung. Anders ausgedrückt: Die Leistungserbringer, also die Gesundheitsbetriebe vom Hausarzt bis hin zur Universitätsklinik müssen aus existentiellen Gründen alle danach trachten, möglichst viele Patienten zu möglichst hohen Gewinnen zu behandeln. Gleichzeitig müssen sie ihre Kosten drücken, wo es nur geht - und das funktioniert immer am besten über Personalreduktion. Die gesetzlichen Krankenversicherungen und die öffentliche Hand müssen aus volkswirtschaftlichem Interesse bestrebt sein, die Ausgaben für Gesundheitsleistungen so gering wie möglich zu halten, da ihre Einkünfte begrenzt sind und alle Defizite vom Beitrags- bzw. Steuerzahler übernommen werden müssen.

 

In diesem Spannungsfeld wirken noch zusätzlich die Phänomene Demografie (Alterung der Gesellschaft) und genuine Teuerung der Medizin durch Fortschritt als problemverstärkende Faktoren. Für die Leistungserbringer ist die geänderte Demografie analog zum eingangs Erwähnten daher ein Zukunftsmarkt, für die Versicherer eher ein finanzielles Schreckensszenario. Das Gleiche gilt für den Fortschritt: die Gewinnmöglichkeit der Einen durch neue Therapien, Medikamente etc. ist die Kostenexplosion der Anderen. Die gegensätzlichen Interessen werden sich folglich in Zukunft noch drastisch verstärken.

 

Eine massive Erschwernis der grundsätzlichen ökonomischen Interessenskonflikte stellen in Österreich die intransparente Finanzierung des GW sowie die nationale und bundesländerweise unterschiedliche Gesundheitsgesetzgebung mit den daraus entstehenden diversen Partikularinteressen dar. Die Kombination der genannten Erscheinungen ergibt unterm Strich zwangsweise jene zähe und nahezu ergebnislose Reformdebatte, welche seit längerem die Gesundheitspolitik kennzeichnet.

 

Gibt es Auswege aus diesem Dilemma der auseinander strebenden Interessen und der konfliktfördernden Finanzierungs- und Gesetzeslage? Der große Wurf, der immer wieder verlangt wird, ist auch von den letzten Reformen nicht zu erwarten gewesen. Ein solcher käme nur durch eine förmlich revolutionäre Änderung des Gesundheitssystems zustande – und für Revolutionen ist Österreich kaum zu haben. Für eine solche „Revolution“ wäre zwar nur eine Verfassungsänderung notwendig,  dazu  ist aber niemand in diesem Land bereit. Eher wahrscheinlich ist es daher, dass es aufgrund der drängenden Problematik im GW zumindest zu einer beschleunigten Evolution kommen wird, die auf allen Ebenen des Systems ansetzen muss.

 

Die grundsätzlich wichtigste Maßnahme ist ohne Zweifel die Aufgabe des derzeitigen durch Steuern und Beiträge gewährleisteten dualen Finanzierungssystems. Die strukturelle Vereinheitlichung der Finanzströme im GW ist die zwingende Voraussetzung für alle weiteren Debatten, sofern diese auch Ergebnisse bzw. sinnvolle Reformen bringen sollen. Sekundär dabei ist es, ob diese zukünftige Finanzierung rein aus Steuermitteln oder ausschließlich über die Krankenkassen erfolgt. (Die Kassen signalisierten übrigens vor Jahren schon einmal Bereitschaft, die gänzliche Finanzierung der Gesundheitskosten des Einzelnen, also stationäre wie ambulante Kosten, zu übernehmen. Voraussetzung dafür wäre natürlich eine entsprechende Beitragserhöhung bei gleichzeitiger adäquater Steuersenkung).

 

Ein zweiter grundsätzlicher Reformschritt müsste eine bundesweit einheitliche Gesundheitsgesetzgebung sein, welche die derzeit bundesländerspezifisch gültigen zehn (!) verschiedenen legistischen Verhältnisse vereinfacht und vereinheitlicht – dafür wäre allerdings die zitierte Verfassungsänderung notwendig…

 

Sicher ist: Nur mit klaren Finanzierungs- und Gesetzesbedingungen ist jener Rahmen herstellbar, in welchem die oben beschriebenen Konflikte auch offen ausgetragen und gelöst werden können. Und nur unter solchen klaren Rahmenbedingungen wird daher eine große, zukunftsorientierte „Gesundheitsreform“ erst möglich sein.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    maximilian@stirner.at (Montag, 18 April 2016 17:49)

    Sehr geehrter Herr Dr. Franz,
    Reformen im Gesundheitswesen sind dringend notwendig. Das ist klar.
    So intransparent ist die Finanzierung doch derzeit gar nicht: GKKs, private Kassen, Selbtstzahlerinnen, Vereine, Orden ... ist super einfach und verständlich!
    Frage ist: Wollen wir dieses, unseres gewohntes, Gesungheitssystem weiterhin? . Falls nicht: Keynes.
    Falls ja: Arbeitsauftrag an jeden im Gesundheitssystem! Einzelne Berufsgruppen anzuschwärzen war immer kontraproduktiv. Eine bundesweite Gesetzgebung ist, da haben Sie Recht, mehr als überfällig und wichtig. Nur mit einer glasklaren Finanzierung werden die Kassen, die Gesundheitsdienstleisterinnen und, um die geht es ja, die Patientiennen Partnerinnen.

    Dipl. KH-BW Maximilian Stirner
    Akad. KH-Manager