Begriffsverwirrung und Sprachverirrung

Die exakte Verwendung von sprachlichen Begriffen wird paradoxerweise gerade jetzt, im Kommunikationszeitalter, immer seltener. Dieses Phänomen ist in Anbetracht der zunehmend härter geführten politischen Debatten ein echtes Problem, weil es die Diskursqualität genau in jenem Maße verschlechtert, in welchem es das immer und überall vorhandene und grundsätzlich durch Spracharmut gekennzeichnete Ressentiment verschärft.

 

In den Medien wie auch in der Politik ist die herrschende Begriffs-Verschluderung naturgemäß am auffälligsten. Eine zentrale Frage dabei ist, ob die schwammige und ungenaue Verwendung von diversen wichtigen Begriffen absichtlich und mit tendenziös-politischem Kalkül erfolgt oder ob sie mangels souveräner sprachlicher Fähigkeiten einfach passiert. Vermutlich ist es eine Mischung aus beidem: Die einen wissen genau, was sie reden und tun, die andern plappern es halt einfach nach und fühlen sich noch gut dabei. 

 

Besonders klar zu diagnostizieren ist diese mediale und politische Diffusion der Sprache aktuell bei der Verwendung des Begriffes "Angst". Seit dem Beginn des europäischen Migrationsproblems wird den Kritikern der ungehemmten Völkerwanderung eine Angststörung unterstellt. Alle, die nicht akklamierend und mit vor humanitärem Stolz geschwellter Brust die Massenmigration begrüßen, hätten Ängste, so wird gemeinhin behauptet. Diese Ängste müsse man freilich ernst nehmen, sagen die einen, denn Angst haben ist ja etwas Schlimmes.  Manche Kommentatoren und Politiker ringen sich sogar durch, die Ängste als berechtigt zu bezeichnen. Andere wiederum machen die angeblich unter einer Angststörung Leidenden verächtlich und mokieren sich arrogant über die nationalistischen und natürlich politisch immer rechts angesiedelten Angsthasen, die ihre spießigen kleinen Reviere unbedingt verteidigen wollen.

 

Beide Argumentationslinien sind falsch. Wer Bedenken und Sorgen betreffend die Migration hat, leidet nicht unter Angst, sondern er hat konkrete Befürchtungen, dass rational erklärbare und durchaus negative Zukunftsszenarien Realität werden könnten. In der Unterscheidung zwischen Angst und Befürchtung liegt der Kern der Verwirrung: Eine Befürchtung (oder auch die Furcht an sich) ist kategorisch etwas ganz anderes als die Angst. Jede Befürchtung ist durch vernünftige Argumentationen begründbar und mit Befürchtungen kann der Einzelne im Regelfall auch gut umgehen. Sie veranlassen ihn dazu, nachzudenken und kritisch die jeweiligen, seine Befürchtungen induzierenden Entwicklungen zu beobachten.

 

Mit der Angst ist das definitionsgemäß ganz anders: Jede Angst ist irrational und oft gar nicht beherrschbar. Angst ist beklemmend, meist akut auftretend und körperliche Reaktionen hervorrufend. Und sie ist immer schwer zu ertragen. Überdies zieht Angst regelmäßig Reaktionen nach sich, die Kampf oder Flucht heißen.

 

Wenn nun in der öffentlichen Debatte immer der Begriff "Angst" statt des Begriffes "Befürchtung" verwendet wird, schreibt man den Bürgern Zustände zu, die sie so nicht haben. Und damit richtet man etwas Schlimmes an: Falsche Diagnosen führen stets zu falschen Therapien. Letztlich erklärt man die Bürger, die sich kritische Gedanken über das zweifellos bedrohliche Phänomen "Massenmigration" machen, durch die ständige Erwähnung ihrer angeblichen Ängste zu unter einer Angststörung leidenden Kranken. Und Kranke müssen behandelt werden. Ergebnis dieser perfiden Begriffsverwirrung ist, dass man elegant die großen politischen Aufgaben verschieben kann: Die Politik muss nun nicht mehr vordringlich die Migrationsprobleme lösen, weil sie ja jetzt die vielen heimischen angstkranken Bürger therapieren muss. Eine Leitlinie für diese Therapie ist z.B das Motto "Integration ist keine Einbahnstraße."  Damit werden kritische Bürger ruhig gestellt, weil sie in eine spezielle Pflicht genommen werden  (die übrigens demokratisch nicht legitimiert ist). Aus der unterstellten Angst soll das Bemühen werden, fleißig beim Integrieren zu helfen, denn gegen die Einbahnstraße darf man laut Gesetz nicht fahren.  

 

Anders gesagt: Eine Art von "linguistic turn" hat Platz gegriffen und diese Wendung und die Umwertung der Begriffe ermöglichen es, dass die völlig insuffiziente und letztlich gegen den Bürger gerichtete europäische Migrationspolitik auf unabsehbare Zeit prolongiert werden kann. Die rettende Gegenbewegung kann nur gelingen, wenn die rechtsliberale und an den Nationen orientierte Politik weiter gestärkt wird.

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Christian Günther (Donnerstag, 26 Mai 2016 22:56)

    Sehr schöne und klare Analyse! Die politisch wirksame Begriffsumkehr hat schon der gute alte Orwell ziemlich detailliert beschrieben, aber gegen die Perfidie der heutigen Journaille ist "Big Brother" geradezu ein Anfänger. Die Unkultur der aktuellen journalistischen Sprachmanipulation hat einen bis dato nicht vorstellbaren Grad an Unverfrorenheit und Skrupellosigkeit erreicht, gestützt von öffentlichen Denk- und Redeverboten, deren Bruch "die volle Härte des Gesetzes" auslöst. Die Nazi-Keule liegt formschön in der Linken und schlägt schwer gegen den unvorsichtigen Bürger, der den geltenden Mainstream in Frage stellt. Migrationspolitik ist da nur eines von vielen Schlachtfeldern, Widerstand müsste daher auf breiter Front aufgebaut werden.

  • #2

    Mag.Dr.phil. Josephine Papst (Freitag, 27 Mai 2016 13:26)

    Über die populistischen Schematademokraten und ihren militanten Gebrauch eines Kategorienfehlers bei der Verwendung der Begriffe „Angst“ und „Befürchtung“

    Mit einem klaren Blick analysiert Dr. Marcus Franz den zur Gewohnheit gewordenen Alltagsjargon der populistischen Schematademokraten, welcher Partei diese auch immer angehören mögen. Ein Schematademokrat zu sein heißt, sich an vorgeprägten Schemata zu orientieren und diese dann stereotyp anzuwenden, und zwar mit der insgeheimen Hoffnung: Dazugehören und verdienen! Um jeden Preis! Man tut halt so, als verstünde man, worum es geht! Man tut halt so, als wäre man freundlich! Man tut halt so, als hülfe man! Man tut halt so, als wären die, die halt nicht so halt tun, die demokratisch Nichttragbaren oder die zu Therapierenden.

    In diesem Betrag thematisiert Dr. Marcus Franz die Begriffsverwirrung und Kategorienverwechslung der Begriffe „Angst“ und „Befürchtung“. Zu Recht spricht er von einer Art von "linguistic turn", auf Deutsch von einer sprachlichen Wende, die Platz gegriffen und eine Wendung und die Umwertung vieler Begriffe ermöglichte, wie beispielsweise auch „Angst“ und „Befürchtung“.
    Zudem handelt es sich tatsächlich um eine Art einer sprachlichen Wende. Der Begriff „linguistic turn“ oder auf Deutsch „sprachliche Wende“ wurde von den Sprachphilosophen der Oxfordschule beginnend mit den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts geprägt, um die Abkehr der Philosophie von der Frage nach dem, was wirklich ist oder dem Seienden, zu charakterisieren. Datiert wird die sprachliche Wende mit den Arbeiten des Großvaters der Sprachphilosophen, nämlich Gottlob Frege (1848 – 1925), in der zweiten Hälfte den 19. Jahrhunderts. Aufbauend auf diese Arbeiten setze sich die Hinwendung zur Sprachanalyse als die einzige Methode der Philosophie bei den sogenannten Wiener Kreisphilosophen, z.B. Rudolf Carnap (1891 – 1970) u.a, fort, die diesen Ansatz zu einem militanten Programm der Philosophie ausbauten. Die Bedeutung eines Satzes ist demgemäß die Methode seiner Verifikation. Dies setzt objektiv feststellbare Tatsachen voraus. Ein Satz, der keine objektiv feststellen Tatsachen als seine Satzelemente, auf die sich die Nomen in einem Satz beziehen, enthält, ist einfach ein Unsinn und hat keine Bedeutung.
    Damit komme ich zurück zu den Schematademokraten und ihrer Verwendung beziehungsweise ihrer Kategorienverwechslung der Begriffe „Angst“ und „Befürchtung“. Zunächst sollte jedoch noch kurz erklärt werden, was ein Kategorienfehler oder eine Kategorienverwechslung ist. Der Oxfordphilosoph Gilbert Ryle (1900 – 1976) erklärte diesen – in meine Worte gefasst – so: Ihnen wird bei einem Besuch eines Konzerns die weitflächige Industrieanlage gezeigt. Plötzlich sagen Sie zu Ihrem Gesprächspartner: „Sie zeigen mir schon seit Stunden Ihre Produktionsstätten! Aber wann zeigen Sie mir endlich Ihren Konzern?“ Ihnen ist ein Kategorienfehler unterlaufen. Warum das so ist, das finden Sie selbst heraus.
    Ähnlich verhält es sich mit der Verwendung der Begriffe „Angst“ und „Befürchtung“. Angst ist ein reales mentales Phänomen, das aus der ersten Perspektive einer Person wahrgenommen und erfasst wird. In diesem Sinne ist es real und wichtig für das alltägliche Leben, hilft es doch, Sachlagen zu erfassen, um entsprechend verantwortungsvoll und gewissenhaft handeln zu können. Aus der Perspektive einer dritten Person mag eben diese reale Angst nicht wahrgenommen und erfasst werden, was jedoch keinen Einwand gegen deren reale Existenz darstellt. In diesem Sinne ist Angst etwas Reales, wenn auch subjektiv Gegebenes.
    Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff „Befürchtung“ auf das Ergebnis einer Hypothese, die durch empirische Fakten und dazugehörige Analysen und Studien zustandekommt. Hypothesen können bestätigt werden oder auch widerlegt. Jedoch sind empirisch belegte Hypothesen, formuliert als Befürchtungen oder Prognosen, nichts Subjektives, so wie Ängste.
    Die Schematademokraten begehen demnach einen fundamentalen Kategorienfehler, wenn sie die Begriffe „Ängste“ und Befürchtungen“ verwechseln.
    Und nicht nur das: Die Schematademokraten scheinen diesen Kategorienfehler bewusst zu begehen, um dem einzelnen Menschen durch das Unterstellen von irgendetwas Pathologischem, das zu therapieren sei, zu verunsichern und ihn mundtot zu machen.
    Diese Art einer sprachlichen Wende hat nun tatsächlich nichts mit der eigentlichen sprachlichen Wende und ihren mittlerweile doch weithin anerkannten Grenzen zu tun, sondern entpuppt sich als eine reine militant betriebene parteipolitische Methode der Propaganda der populistischen Schematademokraten.