Die Medizin, die Politik und die Wahrheit

Jeder Arzt ist dem Wohle des Patienten verpflichtet. Das schließt mit ein, dass er immer die diagnostische Wahrheit und die Anwendung der jeweils besten Therapiemethoden im Auge hat. Herum- oder Schönreden, Verzögern und den Problemen ausweichen führt stets zu einer Verschlechterung der medizinischen Situation, weil Unklarheiten entstehen und wichtige Maßnahmen zu spät ergriffen werden. Das "Schonen des Patienten" durch das Verschweigen der medizinischen Wahrheit ist nur in Ausnahmefällen sinnvoll bzw. erlaubt - eben weil es so schädlich sein kann.  Und "Primum nil nocere" ist seit jeher eines der obersten Prinzipien der Medizin: Das Wichtigste ist, dem Patienten nicht zu schaden. 

 

Politik ist in gewisser Weise prinzipiell ähnlich zu sehen: Politiker sind dem Wohle des Volkes verpflichtet und sie müssten eigentlich die politischen Probleme genauso behandeln wie ein Arzt die medizinischen. Jeden Schaden vom Volk abzuwenden, das ist die Minimalanforderung an die Politik. Die Politiker haben daher die Aufgabe, die Dinge genau anzuschauen, sie beim Namen zu nennen und sie müssen versuchen, Situationen richtig einzuschätzen. Danach müssen sie überlegen, verantwortungsvoll handeln und vor allem die Folgen ihres Handelns bedenken. Und zwar nicht die persönlichen Konsequenzen für sie selber, sondern jene für das Volk, dessen Vertrauen sie bei einer Wahl demokratisch verliehen bekamen.

 

Doch leider funktioniert dieser Ansatz nur in einem idealistischen Gedankengebäude. Die reale Politik handelt über weite Strecken definitiv gegen die Grundsätze der Wahrhaftigkeit und sie missachtet allzu oft ihre Verpflichtungen  dem Souverän gegenüber. Viele Politiker sind auch und vor allem in Demokratien zuallererst am eigenen Wohl interessiert, danach kommt erst das Volk. Legislaturperioden bzw. Regierungszeiten dauern meist nur 4 oder 5 Jahre, in dieser Zeit müssen vor allem Berufspolitiker danach trachten, ihre mittelfristige eigene Zukunft zu sichern. 

 

Im Weiteren müssen alle diese von ihrer Klientel und einem gutem Standing in den Medien abhängigen Berufspolitiker nach den Pfeifen des Mainstreams tanzen, wenn sie in der Verantwortung sind. Da ist wenig Platz für rationales und zukunftsorientiertes Handeln und das Wohl des Volkes wird sofort gefährdet, wenn durch irgendeine Aktion oder eine Aussage ein vermeintlicher quick-win in den Medien erzielbar ist. Zu wenige politische Ausnahmegestalten haben die Authentizität, die Ehrenhaftigkeit und den Anstand, das Wohl der Nation glaubhaft als ihr Ziel zu vertreten und ihre Politik danach auszurichten.  

 

Diese unerfreulichen Fakten haben uns den denkwürdigen Herbst 2015 beschert, als das Recht im Namen einer schnell herbei geredeten, scheinbar alles Gültige außer Kraft setzenden Humanität von den damals verantwortlichen Politikern umgangen und die Grenzen in Deutschland und Österreich für die herbeiströmenden anonymen Migranten-Massen geöffnet wurden, ja diese sogar explizit zu uns eingeladen wurden. Die Print- und TV-Medien überschlugen sich damals in Lobhudelei und Menschlichkeitsbeschwörungen aller Art. Diese angeblich durch die Humanität gerechtfertigte Umgehung der Gesetze sei "alternativlos" und man habe doch die Pflicht, zu helfen und ähnliches mehr war täglich zu hören und zu lesen.

 

Konservative und national orientierte Politiker (also die in den Medien so oft gescholtenen Rechten) übten damals schon heftige Kritik an diesem Zustand und an der geübten Vorgangsweise - europaweit allen voran der ungarische Regierungs-Chef Viktor Orban. Er wurde dafür in diversen linkslastigen Medien verdammt. Die innerösterreichischen Kritiker (wie der Autor dieser Zeilen und die Oppositionsparteien FPÖ und TS) natürlich auch, ebenso erfuhren zahlreiche, von der Grenzöffnung wenig begeisterte CDU- und CSU-Politiker viel negative Nachrede.

 

Mittlerweile ist das anders geworden. Dass die damals angeblich alternativlose und vom internationalen Humanitätsorchester konzertierte deutsch-österreichische Handlungsweise des Herbstes 2015 falsch und letztlich gar nicht human war, gilt heute mittlerweile als Konsens und gültiger Erfahrungswert. Niemand - ausser ein paar linke Hardliner - tritt heute noch für offene Grenzen und eine kritiklose, unkontrollierte Zuwanderung ein.

 

Freilich, post festum ist Kritik immer am leichtesten. Man kann sich natürlich auch einmal politisch irren und falsche Entscheidungen treffen, niemand ist unfehlbar. Die Situation war damals zweifellos nicht einfach. Allerdings wiegt der politische Fehler umso schwerer, weil die schon damals absehbaren Folgen heute kaum mehr zu kontrollieren sind und es schon vor der Entscheidung zur Grenzöffnung internationale Warnungen, harte Fakten und vor allem gültige Gesetze gab, welche die nämliche Politik als unvernünftig, rechtlich äußerst fragwürdig und schlecht für den Staat und Europa qualifizierten. 

 

Neuerlich die Parallele zur Medizin: Man stelle sich vor, ein leitender Arzt weiß aufgrund neuer Erkenntnisse vor einem akut angesetzten Eingriff, dass dieser Eingriff bleibende Schäden hinterlassen wird. Er wird von anderen Kollegen dringend beraten, die OP so nicht durchzuführen, man solle und werde schleunigst Alternativmethoden anwenden. Das Ärzteteam diskutiert, man beschließt die Alternative und dann operiert der leitende Arzt im Alleingang doch nach der ursprünglichen, leider schädlichen Methode. Wie das menschlich und rechtlich weitergeht, ist jedem klar. 

 

In der Politik hat so eine Handlungsweise für die verantwortliche Person höchstens die Abwahl zur Folge, wenn der nämliche Politiker nicht sowieso den Anstand hat, zurückzutreten. In Österreich hat es zwischenzeitlich so einen Rücktritt in Form eines Kanzlerwechsels und einige Vorschläge zur Neuregelung der Migrationspolitik und des Asylwesens gegeben. Man wird aber erst sehen, ob und wie die geplante Obergrenze eingehalten und eine eventuelle Grenzschließung durchgeführt wird. Und viele Bürger haben den Eindruck, man erfährt nicht alles über die wahren Zahlen und die Hintergründe, vor allem in den heiklen Bereichen wie Ausländer-Kriminalität oder bei Fragen über die vermutlich zahlreichen illegalen Untergetauchten vermuten viele Bürger eine Verschleierungstaktik.  

 

Was aber am schwersten wiegt, ist das diagnostische und therapeutische Versagen der EU. Die Umsetzung einer nutzbringenden und breit abgestimmten europäischen Migrations- und Flüchtlingspolitik ist noch nicht einmal im Ansatz erkennbar. Vor allem, weil die sinnvollen Vorschläge des österreichischen Außenministers, der FPÖ und des ungarischen Regierungschefs sowie anderer kritischer Köpfe von einer relativ kleinen, aber offenbar sehr einflussreichen internationalistischen Lobby nicht goutiert werden und man in Brüssel weiter auf der Humanitätswelle surft.

 

Man ist dort selbst nach den wiederholten furchtbaren  Terroranschlägen und nach dem auch durch die falsche europäische Migrationspolitik mitverursachten Brexit nicht in der Lage, die längst beschlossenen herkunftsnahen Hot-Spots zu errichten, man schafft es nicht, die Außengrenzen zu sichern und man bringt keine belastbaren Vereinbarungen zur Rückführung der europaweit hunderttausenden abgelehnten Asylwerber zustande. Damit wird neues Radikalisierungspotenzial geschaffen und die Sicherheit der Bevölkerung gefährdet. Ebensowenig ist eine Realisierung der Brüssler Idee, in Libyen Lager für straffällige Migranten zu errichten, absehbar.

 

Kurzum, die Wahrheit ist:  würde die Medizin so agieren wie die Politik, wäre es um die Volksgesundheit ganz, ganz schlecht bestellt. Würden aber die Politiker mehr wie seriöse Mediziner handeln, wäre die endlose Krise vermutlich längst gelöst und die Gefahr gebannt. 

 

 

 

 

 

 

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