Das Kreuz mit der "Ehe für Alle"

Es kam, wie es kommen musste. Seit Italien die Homosexuellen-Ehe eingeführt hat, werden dort von muslimischer Seite unter Hinweis auf ebendiese Neuerung Rufe nach einer offiziellen Erlaubnis der Vielehe laut. Und in der Argumentationslogik, die durch die Erweiterung des säkularen Eherechts entsteht, kann man diesen Forderungen auf den ersten Blick gar nicht viel entgegensetzen: Warum dürfen die Einen nun heiraten und die Anderen, die das in ihrem Kulturkreis ja unentwegt tun und dürfen, bei uns nicht?

 

Letztlich wird der Staat nun klar und mit Verve festlegen müssen, was eherechtlich erlaubt ist und was nie erlaubt werden kann, wenn man die westlichen Grundfeste der Gesellschaft nicht gefährden will. Dem Hinweis auf Diskriminierung (der in diesem Zusammenhang immer kommt), kann man etwas Profundes entgegenhalten: Der EGMR hat unlängst die gleichgeschlechtliche Ehe als ungleich bewertet und ein Verfahren mit einem einstimmigen Spruch beendet. Der EU-Gerichtshof erklärt in seinem Erkenntnis, dass die Ehe zwischen Mann und Frau einzigartig sei und dass aus einem Verbot der Homosexuellen-Ehe daher keine Diskrimierung entsteht, wiewohl die Staaten verpflichtet seien, entsprechende eheähnliche Rechtsformen zuzulassen. (Casus: Chapin et Charpentier c. France, Urteil Nr 40183/07). 

 

Den Förderern der "Ehe für Alle" geht es um die Einführung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen und um deren Gleichsetzung mit der traditionellen Ehe. Das ist an sich naiv, denn allein schon der Slogan "Ehe für Alle" lädt alle jene, die andere Vorstellungen vom Verheiratetsein haben, definitiv ein, ihre Wünsche klarer zu artikulieren und deren Umsetzung zu fordern. Im "Für Alle" ist eben alles drin: Jede(r) soll jede(n) heiraten können und es ist weder eine qualitative noch quantitative Beschränkung enthalten.  Jeder Staat, der die traditionelle Ehe mit anderen Formen gleichsetzt, kommt daher in arge Nöte und muss unweigerlich neue Grenzen ziehen, die für Unmut sorgen werden. Den Rufen nach "Ehe für Alle" nachzugeben ist daher unsinnig und rechtlich auch nicht haltbar, siehe EGMR.

 

In den USA, wo unter der Obama-Administration die Homosexuellen-Ehe ebenfalls erlaubt wurde, gibt es bereits diverse Gerichtsverfahren, weil etwa auch die Mormonen die Vielehe einfordern. Unter dem Hinweis auf "Gleiches Recht für Alle" wird dort moniert, dass nun auch die Befürworter der Vielehe ihren Wünschen nachgehen dürfen. Das wird den Obersten Gerichtshof noch massiv unter Druck bringen.

 

Paradox ist: Liberale oder besser gesagt, jene, die sich dafür halten, unterstützen die Kampagnen namens "Ehe für alle" - und wissen offenbar nicht, was sie damit anrichten. Sie reden damit nur der totalen Beliebigkeit das Wort und gefährden die westlichen Fundamente, wenn man ihre Permissivität zu Ende denkt.

 

Angesichts der nun aufbrechenden italienischen Debatten kann man nur hoffen, dass unser Parlament sich eingehend mit der Problematik vertraut macht und vor allem, dass die Abgeordneten und die Rechtsspezialisten der Argumentation des EGMR folgen. Auch in Österreich wird der Ruf nach "Ehe für Alle" regelmäßig in Kampagnen-Form laut und wir können sicher sein, dass die nächste Welle schon vorbereitet wird. 

 

Fazit: jeder Staat, der unter angeblich liberalen Prämissen angebliche Diskriminierungen bekämpfen will, handelt sich neue, noch viel größere Konflikte ein. Der Mythos von Prokrustes, dem antiken Riesen, der alle gleich machen musste und der diesen Auftrag in blutiger Manier umsetzte, wird leider immer wieder Realität. 

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Kommentare: 1
  • #1

    Stefan Schett (Dienstag, 09 August 2016 11:25)

    Dass sich Liberale für die Ehe für alle einsetzen, ist absolut nicht paradox. Die Freiheit von Homosexuellen und Co., jemanden zu heiraten, den sie lieben, ist aus liberalem Standpunkt eindeutig über ein abstraktes (und zu unflexibles) "Wertesystem" zu stellen.