Alles Leben ist Unterscheidung

Das Fremde und das Eigene zu erkennen und die Fähigkeit, beides voneinander zu unterscheiden, bilden ein Grundprinzip des organischen Lebens. Unmittelbar damit verbunden ist die Fähigkeit zur Einteilung des Fremden in die Kategorien Freund und Feind. Diese Unterscheidungskompetenz ist ebenfalls ein essenzielles Grundprinzip funktionierenden Lebens. Die gesamte Flora und Fauna würde sofort zugrunde gehen, gäbe es diese fundamentalen biologischen Mechanismen nicht. Garant für die Überlebensfähigkeit organischen Lebens sind immer die Immunsysteme.

 

Durch die Entwicklung von Unterschieden und durch die Möglichkeit des Erkennens ist überhaupt erst die Bildung von Lebensräumen, Revieren und Habitats möglich geworden. Die Qualifikation des jeweils Fremden findet immer an deren Grenzen statt und die Harmonie mit dem jeweils Eigenen im Innenraum. Diese biologischen Gegebenheiten und die Abgrenzungen machen auch die Herausbildung von Verhaltensweisen und letztlich die Differenzierung der Arten erst möglich.

 

Verschiedene Reviere und Habitats stehen auch meist in Konkurrenz zueinander. Der Wettbewerb und der Drang, die eigene Art und die eigene Lebensweise durchzusetzen bilden die dritte essenzielle Conditio sine qua non für erfolgreiches Leben und die Ausbreitung der Arten.

 

Nach dem Entwicklungssprung vom Tier zum Menschen trat neben der Bildung des Ich-Bewusstseins eine neue Kompetenz in Erscheinung: Die Fähigkeit zur Kultivierung. Am Beginn derselben standen spezifische Rituale und Stammestraditionen, danach folgten die unterschiedlichsten künstlerischen und rituellen Entwicklungen (fast immer in Union mit Religionen) und die von Region zu Region stark divergierenden Heranbildungen von Kulturkreisen.

 

Die Ausformung der Kulturen folgte und folgt im weitesten Sinne den immunologischen Grundsätzen: Das Erkennen von Freund und Feind und die permanente Stärkung des Eigenen waren auch hier Bedingung und sind es noch heute. Abgegrenzte Kulturräume kann man daher nach dem Philosophen Peter Sloterdijk als "kohärente Immunsysteme" bezeichnen.  

 

Den Kulturen, die sich ausdehnen wollen, wohnt immer ein aggressiver Kern inne. Ausdehnung gelingt stets nur, wenn die jeweils andere Kultur kriegerisch erobert oder durch massive Migration verdrängt wird. Gleichwertige oder gleich starke Kulturen versuchen, durch Handelsbeziehungen oder gegenseitige Drohungen die Balance zu halten. Kulturen, die sich nicht mehr ausdehnen und stärken wollen oder das nicht (mehr) können, werden im ewigen Kampf der Kulturen unweigerlich unterliegen.

 

Immunologische Phänomene wie die ständige Kenntnisnahme von Freund und Feind, die permanente Grenzsicherung zur Aufrechterhaltung von Abwehr- und Aufnahmezonen, diverse selbst-affirmative Maßnahmen wie militärische Macht, die Aufrechterhaltung von kulturellen Ritualen, das Bekenntnis zu spezifischen Werten und der Wille, diese auch zu verteidigen, helfen dabei, die überlebenswichtigen Unterschiede der Kulturen aufrecht zu erhalten. Internationale Gleichheitsbestrebungen zerstören die Kulturen und die Nationen, weil sie auch deren jeweiligen Immunsysteme auflösen.

 

Wenn man die immunologischen Prinzipien nicht berücksichtigt, die Grenzen nicht sichert oder diese sogar leugnet, wenn man den Innenraum nicht behütet und fremde Kulturen nicht abweist oder diese höchstens in minimalen, genau kontrollierten Dosen akzeptiert, dann kommt es zur sukzessiven Preisgabe des je Eigenen. Darauf folgt unweigerlich die Akquisition und Besiedelung dieses Eigenen durch das Fremde. Und danach tritt das irreversible kulturelle Multiorganversagen ein.

 

 

Kultur und Gesellschaft 

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Kommentare: 2
  • #1

    User4 (Samstag, 13 August 2016 19:25)

    Der Versuch sozialdarwinistische Egozentrik wissenschaftlich zu unterfüttern. In Zeiten hochkultureller Verfeinerung zwischenmenschlichen Zusammenlebens folgt ab und an gerne der Regress auf archaisches, wenn die Dinge nicht so laufen wie man sie gerne hätte. Kommt dem Autor eigentlich in den Sinn dass er, wie alle anderen auch, von einer Gesellschaft partizipiert dessen stabiles soziales Gefüge fundamental sind? Meinen unbedarften Nachbarn niederzuschlagen und auszurauben mag auch unter den sozialdarwinistischen Gesichtspunkten legitim sein. Doch wo befänden wir uns wenn wir unseren niedersten Instinkten Folge leisten würden?

  • #2

    helmut-1 (Mittwoch, 17 August 2016 05:51)

    Kommentar von User4:
    Interessante Formulierung :
    "In Zeiten hochkultureller Verfeinerung zwischenmenschlichen Zusammenlebens "

    Frage: Was ist damit gemeint?
    - Die täglichen Meldungen in den Nachrichten von tätlichen Übergriffen auf Unbeteiligte?
    - Die immer wieder verbreiteten Dummmeldungen über irgendwelche "humanitären Besonderheiten"? (Beispiele s. weiter unten)

    Dann frage ich mich, warum immer mehr Leute aus den größeren Städten auswandern, wenn diese "Verfeinerung" eine Bereicherung darstellt. Wir leben hier in Siebenbürgen, und jedes Monat sieht man in einer Kleinstadt wie hier ein neues Gesicht, - entweder aus Deutschland oder aus Österrreich. Keine Leute, die hier auf Urlaub sind, sondern die sich hier definitiv niederlassen. (Der Letzte, den ich vor ein paar Tagen getroffen habe, kommt aus Salzburg).

    Noch ein paar Beispiele zu den "Dummmeldungen":

    http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/12/18/rentner-verwechseln-asyl-heim-mit-gasthaus-und-werden-von-fluechtlingen-bewirtet/

    Habe mir die Mühe gemacht und das nachrecherchiert:

    http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=387067

    Oder einige andere Beispiele:

    http://www.bild.de/politik/inland/fluechtling/greis-und-familie-kommen-in-passau-an-42776990.bild.html

    oder:

    https://de.nachrichten.yahoo.com/105-j%C3%A4hrige-fl%C3%BCchtet-zu-fu%C3%9F-von-afghanistan-nach-kroatien-125143067.html?bcmt_s=m#ugccmt-container

    Diese Beispiele habe ich gar nicht mehr nachrecherchiert, sie sind mir zu dumm. Jeder mit nur 10 Groschen Hirn kann erkennen, dass sowas schon physisch gar nicht möglich ist.

    Ich habe lediglich einige Kommentare von yahoo dazu herausgefischt, - obwohl yahoo mit Sicherheit nicht das Forum mit dem höchsten IQ ist:

    5700 Kilometer zu Fuß in 20 Tagen. 285 Kilometer pro Tag..und zwar jeden Tag, ohne Ausnahme. Knapp 12 Kilometer pro Stunde, wenn sie 24 Stunden am Tag durchgelaufen wären, und das ohne die geringste Pause, wobei bekannt sein sollte, dass ein erfahrener Wanderer etwa 5 Kilometer pro Stunde zurücklegt und Amateurmarathonläufer auf etwa 12 Stundenkilometer kommen, Wer's glaubt, wird selig. Sagt mal, ihr Vollhonks, glaubt ihr dass wir alle so doof sind, wie ihr uns gern hättet?

    oder:

    Welches Märchen wird uns als nächstes von der Gutmenschen-Presse aufgetischt ??? Ein einjähriges Kind ist von Syrien nach Deutschland gekrabbelt !!! Auch diese Geschichte würden unsere Gutmenschen glauben.

    Nein, verehrter User4, "In Zeiten hochkultureller Verfeinerung zwischenmenschlichen Zusammenlebens ", - das sind des "Kaisers neue Kleider". Und die kann ich gut erkennen.