The western decline - part 2

Gestern wurde an dieser Stelle (  http://www.thedailyfranz.at/2016/09/28/the-western-decline/   ) der Untergang des Westens beschrieben, der seinen Ausgang von Europa nehmen wird. Die Elemente dieser Veränderung zum Schlechten wurden deskriptiv festgehalten.

 

Aber was ist nun die eigentliche Triebkraft hinter dieser stetig voranschreitenden Selbstschwächung des europäischen Kontinents, die uns noch immer als Fortschritt verkauft wird und zu der wir freudig wie die Schafe blöken - auch wenn uns jetzt die Angst vor der allgemeinen Schächtung quält?

 

Das ist immer wieder die Frage, die mit der  Diagnose „Werteverfall“ alleine noch nicht ausreichend beantwortet ist: Soweit es um den Egoismus geht und wir das Wohlsein in der Komfortzone dem Unwohlsein in der Leistungszone vorziehen, soweit ist der Antrieb dahinter universell darstellbar und überall und jederzeit wirksam. Jeder von uns ist korrumpierbar und der Sozialstaat ist der große Bestecher und Bakschisch-Geber von uns allen.

 

Warum aber lassen wir uns bestechen und einlullen? Ist die Ursache des Verfalls eine ganz profane und einfache, materialistische Ausrichtung des Menschen? Der säkulare Sozialstaat hat den archaischen und gesunden Primärzustand, in dem der ursprüngliche, gute und reine Lebens- und Überlebenstrieb entstand, längst abgelöst. Ist er so stark, dass er das Alte, Traditionelle nunmehr hemmt und förmlich neutralisiert? Und ist es alleine der Sozialstaat, der seine Bürger infantilisiert und für seine staatlichen Zwecke ausnützt?

 

Individuelle und familiäre (Vor)-Sorge wie Stammerhaltung als instinktive Selbsterhaltung gedeihen nur in einem Staat wirklich , der nicht Sozialstaat ist. Den genuinen, im Kern seines Wesens zumindest nach unseren heutigen Begriffen durch und durch rechten Ur-Staat gibt es im Westen nicht mehr. Alle westlichen Staaten sind nach den beiden Revolutionen in den USA und Frankreich mehr oder weniger links geworden und in all diesen Staaten sind die Familie und die Sippe und demnach die Hierarchie (als heilige Ordnung) nicht mehr in der Position wie früher, auch wenn der Nepotimus als übler Restzustand der alten Ordnung fraglos seine Wirkung tut. 

 

Ein wesentlicher Faktor neben dem menschlichen Triebsystem ist wohl die Religion, wenn auch ihre Funktion immer instrumental umgedeutet werden mag. Beides zusammen, Religion und Triebsystem, schlagen sich nieder in der Kultur. Sie ist das  Universum von Sinnbezügen, Werten, Verhaltensweisen und -regeln, Riten, künstlerischen Ausdrucksformen und Gestaltung der Lebenswelt überhaupt. Bezeichnenderweise sind heute alle diese kulturellen Bestände schon blutleer geworden und über weite Strecken ganz abhandengekommen - zumindest aber in einem Durcheinander von allem und jedem nicht mehr leicht auszumachen.

 

Die aufgrund der äußeren Bedrohung wieder öfter geforderte "Leitkultur" kommt ohne Bezug auf die Religion nicht aus, die politischen Proponenten haben aber eine Scheu davor, sich klar dazu zu bekennen. Sie wissen: Viele ihrer potenziellen Wähler sind schon zu weit weg vom Traditionellen.

 

Der Aufstieg der Nationen durch die Bildung staatlicher Sozialstrukturen wurde und wird kritiklos hingenommen, eben weil die staatliche Alimentation der Vielen auch einen vorläufigen Frieden schuf. Die Ernennung des Menschen zum Sozialingenieur, der im Namen des Staates schaltet und waltet, war die Usurpation ursprünglich gottgegebener und -gewollter Tugenden durch den Staat.

 

Zusammengefasst werden sie unter dem Begriff Nächstenliebe. Diese ist jetzt Angelegenheit des Sozialamtes. Und der Mensch ist froh, weil dadurch ist bewiesen: Gott ist tot. Und das Jammertal des Diesseits ist aufgelöst in der Hoffnung auf die Mindestsicherung, die eines Tages ein Grundeinkommen für alle werden soll.

 

Trotzdem macht uns der Sozialstaat nicht glücklich, denn er bietet keine Möglichkeit der Sinnfindung. Was offenbar fehlt, ist der religiös-kulturelle Reflex dieser säkularen Institution. Und wenn man sich einen solchen Reflex vorstellt, ist er wohl  nicht viel anderes als die Vergöttlichung der über den Tag hinausreichenden Sinnlosigkeit, die sich zuallererst in der allgemeinen Nutzen-Ökonomie manifestiert, was aber in der Folge unweigerlich zu einem rein ökonomischen Lebens- und daher auch einem systematischen Lebensbeendigungs-System führt.

 

Von der staatlichen, aber betriebswirtschaftlich organisierten Baby-Farm bis hin zur Sterbe-Farm sind dann Szenarien denkbar, in denen der Mensch seine Obsorge für sich selbst an die staatlich kontrollierten Institutionen abgibt. Gebetet wird dort natürlich, weil die Kultur verlangt ja Religion und funktioniert ohne sie nicht. Aber der Ritus ist frei, wir beten zu irgend einem Licht, das in den überall dafür gebauten Kuppelhallen oder in Andachtsräumen bei Bedarf angezündet wird oder wir beten zu einem Götzen, der dort irgendwo herumsteht.

 

Oder, Luxusvariante, man bestellt sich (natürlich gegen Aufpreis) einen beliebigen fachhochschulgeprüften Seelsorger, der aus dem Potpourri des spirituellen Bauchladens den gerade genehmen Trost heraussucht, um diese uns bis ins Mark peinigende Sinnlosigkeit des Lebens mit dem jeweiligen Entsorgungsfall gemütlich wegzuplaudern. Freilich strikt nach vorgegebener Checkliste und nach Standard. Das Ergebnis wird geheiligt, in dem es in die EDV eingespeist wird.

 

Die Linksideologen jubeln dazu, denn durch die kulturreligiöse Zersplitterung ist die totale Verstaatlichung und Kontrolle des Individuums erreicht und der Endpunkt aller linken Denke ebenso. Die Lebenserfüllung und Selbstverwirklichung im Diesseits sind ein erklärtes Hauptziel aller linken Sehnsüchte. Die privaten Unternehmer freut es auch, denn alle diese "Kliniken" und Lebensberatungsstellen sind längst outgesourct und das "Werte-Management" (sic!) kümmert sich darum, allzu üble Zynismen nicht ausufern zu lassen. Alles ist cosy, wertschätzend, empathisch und vor allem kosteneffizient. So wird es uns gesagt.

 

Zweifellos gilt also: Es gibt keine Kultur ohne Religion. Nicht einmal in unserer schon weit degenerierten Form der Kultur geht es ohne bestimmte transzendente Mechanismen. Übrigens: Was derzeit als „Kultiviertheit“ gehandelt wird, sind gepflegte Lebensformen, deren Zweck vor allem in ihrer Codierungswirkung für das Erkennen der Gleichen ist. Wenn solche nicht gerade da sind, dann gibt die Kultiviertheit einem das Gefühl, etwas „Besseres“ zu sein. Aber was der Kultiviertheit fehlt, ist eben die Religion.

 

Aus dieser Not heraus machen die meist recht kultivierten und gebildeten Atheisten eine Tugend und leben ihren Atheismus eben einfach wie Religion. Je nach Charakter durchaus auch lautstark wie etwa Sir Richard Dawkins, der weltbekannte Genetiker. Oder, alltägliche Variante, man nennt seine Religiosität "Selbstverwirklichung" und unterstützt sich dabei mit fernöstlichen Praktiken, lebt z.B. monoman nach einer bestimmten Diät, geht ins Fitness-Studio und ähnliches mehr. Gerne holen sich die ungläubigen und in ihrem Innersten sinnentleerten Leute auch irgendwelche heiligen Versatzstücke aus Indien, China oder Borneo, um wenigstens Religionsfragmente in ihrer Nähe zu wissen. Das beruhigt. Vor allem, wenn dann irgend wann einmal der Ernstfall eintritt.

 

Doch zurück zur Ausgangsfrage: Was ist die Triebkraft hinter allem? Dazu sei die These gewagt, dass der westliche, europäische Mensch durch die drei großen narzisstischen Kränkungen seinen Glauben verloren hat und deswegen heute so ist, wie er ist: Kopernikus, Darwin und Freud sind die drei Herren, die das ermöglicht haben. Kopernikus entdeckte, dass die Erde nicht der Mittelpunkt des Universums ist.  Darwin fand heraus, dass der Mensch ja doch nur ein Verwandter des Affen ist. Und Freud stellte fest, dass niemand von uns der Herr im eigenen Hause ist. Die Triebe machen mit uns was sie wollen und ihre Beherrschung bezahlen wir mit der Neurose. Das alles zu verdauen und trotzdem einen authentischen Glauben zu behalten - schwierig. (Von der Theodizee noch gar nicht zu reden.)

 

Dann kam auch noch Marx daher, übernahm die Erkenntnisse der drei Großen und setzte eins drauf, indem er die sozialen Ungleichheiten als Ursache aller diesseitigen Übel identifizierte und die Religion zum Opium erklärte. Der hellsichtigste aller Denker, Friedrich Nietzsche erkannte diese destruktive Gemengelage und forderte zu Recht die Umwertung aller Werte und den Übermenschen ein. Der ist noch nicht eingetroffen. Aber einzelne Labors arbeiten schon an der technischen Erzeugung des neuen Menschen, vielleicht tut sich da ja bald was und der Golem lehrt uns dann die Mores, die wir längst verloren haben.

 

 

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Diederich Heßling (Donnerstag, 29 September 2016 08:18)

    Sehr verehrter Herr Franz,

    diese beiden kleinen Artikel vom gestrigen und heutigen Tag sind das Größte und Beste was ich seit Monaten im Internet lesen konnte. Dazu meinen herzlichen Glückwunsch.
    In fast allen Punkten haben Sie meine volle Zustimmung.

    Gerade das mit dem Glauben sehe ich immer wenn ich gerade in Rußland oder der Ukraine bin. Auch in vielen osteuropäischen Ländern ist es ähnlich.
    Und gerade das macht den Unterschied zu den irrsinnigen westlichen Menschen aus.

    Aber an einen Wandel glaube ich nur schwerlich. Mag sein, wenn der jetzt kommende Finanzcrash mit dem Gutmenschentum und dem Refugeewelcome aufräumt und Millionen untergehen. Aber sicher bin ich da nicht...

    Ich grüße Sie herzlich von der sonnigen Krim.

  • #2

    Astrid.Esther (Donnerstag, 29 September 2016 08:45)

    Ich habe noch nie an die Evolutionshypothese geglaubt. Wieso auch? Vor allem gibt es keine Evolution zum Besseren, wie man sieht.
    Ich bin auch nicht der Meinung, dass Kopernikus der Religion irgendeinen Schaden hinzugefügt hat. Was die Causa Galileo anging, so hat der Kirchenhistoriker Kard. Walter Brandmüller dazu ein ausgezeichnetes Buch verfasst. Der Konflikt zwischen Kirche und Galiliei ist vielschichtiger, als man glaubt, vor allem weil sich damals auch vor allem Jesuiten mit der Astronomie beschäftigten.
    Und Freud - seine Vorstellung der Seele als eine Art Triebapparat - ist ein wenig reduktionistisch. Außerdem hatte er ja nur Patienten aus gut- und großbürgerlichen Kreisen und hat von ihren Problemen gleich auf die ganze Gesellschaft geschlossen. Ob sein Kokainmissbrauch seine Werke beeinflusst hat, vermag ich nicht zu beurteilen.

  • #3

    Markus (Samstag, 01 Oktober 2016 00:28)

    2015 war das letzte echte Friedensjahr. Nur der bevorstehende Krieg und der Sturz der Republik in seinem Gefolge werden uns retten. Mit der Gefahr waechst das Rettende auch (so aehnlich irgendwo bei Friedrich Hoelderlin).

  • #4

    Hans Kolpak (Samstag, 01 Oktober 2016 16:39)

    1914 ist aus meiner Sicht ein Wendepunkt, als die Monarchen sich einen Krieg aufschwatzen ließen, in dem es nur Verlierer gab. Nach dem Krieg wurden die Monarchen umgebracht oder ins Exil gebracht, um Platz für die Sozialisten zu schaffen. Als Schüler bis 1970 war ich außerstande, mich gegen diesen Unfug zu stemmen. Der Klügere gibt nach und schweigt. Wenn Lehrer und Schüler über einen 17-jährigen Knaben herfallen, weil sie vor lauter Überlegenheit nicht mehr klar denken können, dann ist der Einzelne klug, wenn er zumindest seine eigene Haltung bewahrt. Ich zähle mich immer noch zu einer Minderheit.

    Wer gewöhnt den Lügnern das Lügen ab? Vielleicht sterben sie ja auch aus, woran ich aber nicht glaube. Gelogen und getäuscht wird auch von Pflanzen und Tieren. Der Schöpfer hat Humor, solch einen genetischen Code zu schaffen!

    Sind 95 Prozent aller Menschen wie Schafe ohne Initiative und ohne Verantwortungsgefühl mit einem Blick auf die gesamte Menschheit? Das hilft auch nicht weiter, denn bürokratisierte Sozialstaaten ersticken an sich selbst. Hinzu kommen Steuervorteile und Subventionen.

    Mit Steuern steuern? Eine ZivilGesellschaft wird durch Kultur gesteuert, ein Schiff durch ein Ruder. Aber Steuergelder zu verschleudern, hat uns lediglich eine Staatsquote von über 50 Prozent gebracht. Die Zange ist der Zinseszins, der immer mehr Menschen und Organisationen in die Zahlungsunfähigkeit treibt.

    Jeder Einzelne, der sein eigenes Leben optimiert, optimiert die Menschheit. Der Einzelne? Ja, es gibt Milliarden Einzelne, auch wenn nicht alle zu den fünf Prozent Nicht-Schafen gehören.

    http://www.dzig.de/Der-Einzelne-Es-gibt-Milliarden-Einzelne