Anleitung zur Politikerbeschimpfung

Ein Dauerthema ist das Verhältnis von Medien und Politik. Erstere treten regelhaft als die Kritiker der Zweiteren auf. Das ist in der Demokratie prinzipiell gut. Doch es gibt dabei einige Grundfragen neu zu klären: Wie heftig sollen die Journalisten die Politik und die Politiker kritisieren? Was müssen sich politisch aktive Menschen alles gefallen lassen? Wie weit bzw. wie tief (im doppelten Wortsinn) darf die Kritik der institutionellen Medien gehen?

 

Der österreichische Journalist Michael Fleischhacker schrieb vor fast 10 Jahren ein Buch namens "Politikerbeschimpfung". Was er damals Beschimpfung nannte, war nicht nur im Vergleich zum heutigen Jargon eine  rhetorisch und inhaltlich hochstehende Kritik am (Un-) Wesen der österreichischen Politik und Politiker: Er teilte aus, ohne zu geifern und traf den Punkt, ohne zu beleidigen. 

 

Diese Form der Kritik am Politischen und an den Politikern ist heute fast schon abhanden gekommen. Einige wenige Kommentatoren schaffen es zwar immer noch, scharfzüngige, kritische Texte zu verfassen und diese ohne Schaum vorm Mund an den Mann zu bringen - aber diese Damen und Herren sind selten geworden. Das gemeinsame Kennzeichen der hier positiv Angesprochenen  ist, dass sie die sogenannte Ad-hominem-Kritik, also die persönliche und untergriffige Attacke, in ihren Texten üblicherweise vermeiden und sich genau überlegen, was sie wie und warum kritisieren. Vor allem pflegen sie vor jeder Kritik eine heute offenbar vielen Medienleuten abhanden gekommene Tugend: Die Recherche und das redliche Argumentieren.

 

Ein souveräner und seriöser Kommentator neigt  auch nicht dazu, irgendwelche pejorisierende halblustige Benennungen wie "Dolm der Woche" oder gar rufmörderische Attribute an Politiker wegen ihrer politischen Meinung oder ihrer Aussagen zu vergeben. Er vermeidet es auch, sich als selbstgerechter Meinungsrichter aufzuspielen. Wenn er doch einmal persönlich werden muss, dann kann er diese Kritik zumindest gut begründen. Den wirklich guten Leitartiklern, Kolumnisten und Glossen-Verfassern ist es wichtig, dass sie das, was sie kritisieren, auch mit Argumenten tun. Hetzen und persönliche Anpatzen gehört nicht zu ihrem Armamentarium.

 

 

Interessanterweise sind alle diese souveränen Kommentatoren (und die einzelnen -innen unter ihnen) fast ausschließlich im bürgerlichen Lager beheimatet. Im linken Spektrum der Medienwelt gibt es natürlich genauso intelligente und gut formulierende Kommentatoren wie rechts der Mitte, aber die Linken haben in ihren Texten nur allzu oft einen erkennbar ideologisch unterfütterten und oft sogar unverhohlen diffamierenden Touch. Man braucht dazu beispielsweise nur ein paar Tage lang das sogenannte "Einser-Kastl" im Standard zu lesen. Da weiß man: Dieser spezielle Wind, der gelegentlich zum Shitstorm wird, der bläst immer nur von links.

 

In diesem Zusammenhang ist interessant, dass gerade die Linken die Vorreiter der unlängst ins Leben gerufenen Kampagne #GegenHassimNetz waren. Anlass für diese Aktion waren die in den SocialMedia immer häufiger werdenden Hass-Kommentare von meist anonymen Menschen mit einer offensichtlich nicht managbaren Aggressionsproblematik. Allerdings sind all diese Hetzer Privatpersonen und es gibt schon lange die Möglichkeit, dafür die Justiz einzuschalten. Die ganze Kampagne verlief daher bis dato recht flau, weil es kaum jemanden nachhaltig interessiert, ob irgendwo ein Bürger einen Hasskommentar absetzt. Man kann das ja problemlos anzeigen, wenn es einen selber betrifft oder stört. Niemand braucht so eine politmediale, paternalistisch aufgezogene und betulich daherkommende Kampagne.

 

Interessant für die Bürger ist letztlich immer nur die "Politikerbeschimpfung" und das jeweilige Politiker-Statement, das der Medien-Schelte, die heute schon regelhaft auf jede kantige Aussage folgt, jeweils vorausgeht. Aber diese "Beschimpfung" sollte eben keine Beschimpfung im originalen Sinne sein, sondern eine Kritik in bester Manier. Das Beschimpfen macht nur schlechte Stimmung und verstärkt den allgemeinen Polit-Verdruss. Hochproblematisch sind in diesem Zusammenhang übrigens oft die als "pesönliche Meinung" getarnten Postings von professionellen Medienleuten in den Social Media und da wieder vorzugsweise auf Twitter: Medienprofis erreichen mit entsprechend formulierten Meldungen große Zahlen von willigen Vollstreckern des von ihnen erhofften Shitstorms.

 

Und damit sind wir bei einem Angelpunkt aller aktuellen Debatten angelangt: Wenn linke Kommentatoren in ihren Texten das tun, was sie so oft tun, nämlich in outrierender, teils tendenziöser und oft persönlicher Art Politiker beschimpfend zu kritisieren, dann tun sie genau das, was sie mit ihrer Anti-Hatespeech-Campaign angeblich ausmerzen wollen: Nämlich Hetze zu betreiben. 

 

Anders gesagt: von links wird heftiger und breiter kampagnisiert als das jemals zugegeben wird.  Die Dauer-Kampagne läuft zwar in den institutionellen Medien immer wieder auf einem intellektuell passablen Niveau und die persönlichen Attacken sind seltener als die durch bestimmte Codewörter gekennzeichneten eher subtilen Angriffe. Aber im Kern und im Motiv ist die Kampagne von links qualitativ betrachtet genau dasselbe wie die "normale" Hatespeech im Internet. (Die Codes der subtilen Angreifer sind übrigens Worte wie "auffällig", "reaktionär", "rechtsaußen", "umstritten" etc.)

 

Aufgrund des zitierten intellektuellen Niveaus ist dieses tendenziöse Verhalten aber schärfer zu kritisieren als die dumpfbackigen Kommentare von den diversen Anonymos in irgendwelchen Internet-Foren. Denn die einen wissen offenbar nicht, was sie tun. Ihnen kann man daher meist vergeben. Die anderen aber wissen sehr genau, was sie tun. Und das ist streng zu verurteilen.

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Kommentare: 1
  • #1

    FD Günther Koller (Dienstag, 18 Oktober 2016)

    Kritik an Herrschenden ist die Pflicht der Opposition.Einschliesslich dem Präsentieren von anderen, für deren Sichtweise besseren Erfüllen von Aufgaben und Problemstellungen.
    Die demokratische Grundordnung erteilt das Recht dazu.
    Aufgabe der in diesem Artikel überwiegend angesprochenen systemtreuen Journalisten wäre daher auch, über diese Kritik und Alternativkonzepte in objektiver Form zu berichten.Zumal die angesprochenen Journailsten ohne öffentlichen Steuergelder ihren Job wahrscheinlich erst gar nicht hätten.
    Wenn von diesen nun die Opposition stärker als die #Altvorderen Politiker kritisiert wird, dann darf sich der einfache #Steuerbürge(r) schon zu Recht die Frage stellen: "Was machen die da?"

    Ups, jetzt hab ich doch auch tatsächlich #Codewörter verwendet.

    Wie man aus dem Dilemma herauskommen kann, hierfür habe ich auch einen Vorschlag: Mit mehr direkter Demokratie, wobei die Entscheidenden immer nur jene sein sollen, die auch von den Konsequenzen der Entscheidung unmittelbar betroffen sind.Ganz nach Muster Schweiz.
    In einem Umfeld dieser direkten Demokratie sind dann besonders fähige, der Objektivität selbstverpflichtete Journalisten gefordert. Denn nur Menschen, die gut informiert sind, können auch fundierte Entscheidungen treffen.
    Böse Zungen behaupten: "Gerade deswegen wollen die #altvorderen Journalisten dies nicht. Sie wären dann Arbeitslos.
    #denkdichfrei