Verdrängen löst keine Probleme

Die Verdrängung hat seit Sigmund Freud ihren Namen und bei uns eine große Tradition. Worum es diesmal geht: Es gibt einen offiziellen EU-Bericht (den Tarabella-Bericht), nach welchem die Abtreibung als Menschenrecht in der ganzen EU einheitlich verankert werden soll. Die Umsetzung dieser Idee wurden zwar in ihrer Erstversion (Noichl-Bericht) im Jahre 2013 nicht angenommen, dem sozialistischen Abgeordneten Tarabella hat man aber 2015 mehrheitlich zugestimmt.  Als Feigenblatt wurde dem Beschluss hinzugefügt, dass die Umsetzung des Berichts den EU-Staaten vorbehalten bleibt. Aber der Ungeist wird in Brüssel weiterwehen, soviel ist sicher. Die Gender- und Abtreibungsfanatiker haben ihre Agenda und die wird beinhart verfolgt.

Naturgemäß halten konservative, christliche und bürgerliche Menschen diese Vorschläge für zynisch und menschenverachtend: Eine solche Pervertierung des Menschenrechtsbegriffs ist weder mit einem humanistischen noch mit einem christlichen  Menschenbild vereinbar. Und selbst mit einem linken Weltbild ist diese Idee nur dann kompatibel, wenn man die Beliebigkeit über das Menschenrecht stellt - was letztlich alle an den Menschenrechten orientierten linken Gedankengebäude in sich zusammenstürzen lässt. 

In Österreich muss man bei den Brüsseler Bestrebungen, die Abtreibung durch das Menschenrechts-Geschwurbel zu verharmlosen, besonders genau hinschauen, denn bei uns hat die Abtreibung ohnehin schon eine Art verdrängten Sonderstatus: Wir wissen nicht einmal, wie viele Abtreibungen bei uns pro Jahr durchgeführt werden. Der einfache Grund dafür ist, dass es keinerlei offizielle Statistiken darüber gibt und keines der Abtreibungs-Institute zur anonymen statistischen Dokumentation verpflichtet ist.

Immer wieder wird von bürgerlichen und rechten Abgeordneten im Parlament gefordert, dass die anonymisierte Erfassung der Abtreibungs-Daten ein Gesetz werden soll. Diese Forderung wird  von den Linken aber stets mit dem merkwürdigen Hinweis abgelehnt, dass offizielle Zahlen „Druck auf Frauen ausüben und sie belasten würden“ (Zitat Minister Stöger). Im Weltbild der berufsmäßigen Verdränger machen Zahlen offenbar Angst. Bezeichnend ist, dass gerade die sich selbst immer als progressiv darstellenden Linken bei dieser Thematik (wie auch bei anderen heiklen Fragen) den Kopf in den Sand stecken und regressiv wie trotzige Kinder argumentieren.

Praktisch alle EU-Länder führen amtliche Statistiken zum Thema und nach heutigem Wissensstand wird weder in Deutschland, noch Frankreich oder Schweden eine einzige Frau durch die anonymisierten Ziffern unter Druck gesetzt. Die Debatte läuft dort auch völlig anders, denn mit objektiven Zahlen redet es sich halt leichter – auch über heikle Themen.

Österreich ist offenbar anders. Da ist man nur entspannt, wenn man möglichst nichts Konkretes darüber weiß, was sich in den dunkleren Regionen des Lebens abspielt. Die üblichen linksideologisch motivierten Abtreibungsverfechter wollen natürlich ebenfalls weiter den Mantel des Schweigens über statistische Wahrheiten gebreitet wissen. Da stehen das feministische Ressentiment und das in dieser Thematik völlig falsch verstandene Selbstbestimmungsrecht der Frau leider im Vordergrund.

Was Ideologie mit Zahlen zu tun haben soll, bleibt aber unergründlich – zumal es in Ländern mit linker Mehrheit (wie z.B. Frankreich) die entsprechenden Statistiken gibt. Wir bleiben also weiterhin (neben Portugal und Luxemburg) auch 40 Jahre nach Einführung der Fristenregelung das einzige Land in der EU, wo keiner weiß, wie oft, wo genau und warum abgetrieben wird.

Das ist absurd: Jeder medizinische Mini-Eingriff muss heute dokumentiert und gemeldet werden, aber eine heikle Angelegenheit wie die Abtreibung ist uns keinerlei Dokumentation oder Registrierung wert. Weil uns das Verdrängen wichtiger ist als das Wissen. Daher bleiben uns nur Schätzungen: Wir haben zwischen 20.000 und 80.000 Abtreibungen pro Jahr. Das ist die Bandbreite, die allgemein angenommen wird.

Und die anderen Länder? Schweden hat bei 9,5 Mio. Einwohnern 37.000 registrierte Abtreibungen, Deutschland mit 80 Mio. Einwohnern 106.000. Das heißt, unsere Zahlen sind in jedem Fall vergleichsweise sehr hoch und wir dürfen uns ganz nüchtern als Abtreibungsland bezeichnen. Möglicherweise ist das auch ein Grund, warum man die exakten Zahlen gar nicht wissen will. 

Weltweit sind Zahlenvergleiche ebenfalls interessant: Pro Jahr werden laut dem New Yorker Guttmacher Institute ca. 45 Mio. Abtreibungen durchgeführt. Dem gegenüber steht eine natürliche weltweite Kindersterblichkeit von 8,8 Mio/Jahr. (lt. UNICEF)

Der überwiegende Teil der Bürger ist der Meinung, dass Abtreibung ein Problem darstellt und die wenigsten lässt das Thema kalt. Probleme kann man aber nur lösen oder wenigstens bessern, wenn man möglichst sachlich nach den Ursachen sucht. Sachlichkeit schließt zuallererst mit ein, dass man die exakten Daten und Zahlen zum jeweiligen Problem erfasst.

Daher ist es auch in Österreich unumgänglich, eine valide Statistik zur Abtreibungsproblematik zu bekommen. Es ist notwendig, anonyme und objektive Daten über Häufigkeit, regionale Muster, Altersstruktur, ökonomische Hintergründe etc. zu sammeln. Denn nur aus der erfassten und anonymen Objektivität heraus lassen sich Ideen entwickeln, die mehr Optionen für ungewollt Schwangere möglich machen und Alternativen zur Abtreibung aufzeigen. Und den Frauen (natürlich auch den Männern) steht es zu, möglichst umfassend über das Themenfeld Abtreibung Bescheid zu wissen. Das schließt das Vorhandensein von validem Zahlenmaterial mit ein.

Alle jene, die gegen eine solche Statistik sind und weiter der Verdrängung vor der Wahrheit den Vorzug geben, agieren im Grunde wider das Leben und wider die Objektivität der menschlichen Vernunft.

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Kommentare: 1
  • #1

    helmut-1 (Mittwoch, 02 November 2016 20:03)

    Verdrängen, - das ist immer einfach. Aber auch irgendwie eine österreichische Mentialität. Schon Arik Brauer hat in seinem Song das schon vor langer Zeit unterstrichen ("sein Köpferl im Sand").

    Der Refrain:

    Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts güts nix
    Ober meiner, unter meiner siach i nix
    Spür nix, hear nix und i riach nix.
    Denk i nix und red i nix und tu i nix
    Waun da Wind wahd in de Gossn
    Waun da Wind wahd am Land
    Waun da wind wahd, do steckt da
    Sein Köpferl in Sand