Der Grat zwischen Nutzen und Nonsens

Vorsorge und Prävention sind gängige Schlagworte, die dem Einzelnen täglich von der Politik, den Medien und den medizinischen Akteuren als Tickets zur ewigen Gesundheit präsentiert werden. Im Überschwang der Vorsorgeempfehlungen wird aber meist verabsäumt, dem Publikum auch zu sagen, was konkret damit gemeint ist. Das undifferenzierte Anpreisen der Vorsorgemedizin lässt jedenfalls wichtige Fragen unbeantwortet: Wer soll wann und wo welche Vorsorge betreiben? Und wie sehen die objektiven Kriterien einer sinnvollen und nutzbringenden medizinischen Vorsorge aus?

 

Zweckmäßige Vorsorgemethoden sollen sowohl für die Budgets der  Gesundheitssysteme wie auch für den Einzelnen leistbar und möglichst ungefährlich sein, sie sollen in breitem Umfang durchführbar und durch wissenschaftliche Erkenntnisse in ihrem präventiven, krankheitsverhindernden Nutzen gesichert sein. Kennzeichen seriöser Vorsorgemethoden ist, dass sie sich auf große Studien begründen. Das Präventionsvermögen der verschiedenen Methoden muss auf größere Bevölkerungsgruppen bezogen sein, denn nur bei ausreichenden Probandenzahlen kann eine Vorsorgemethode überhaupt auf ihre Wertigkeit überprüft werden bzw. bei Anwendung auch nützliche Effekte erzeugen.

 

Das Individualrisiko des Einzelnen ist durch Präventionsmaßnahmen jeder Art allerdings nur bedingt abschätz- und beeinflussbar.  Und eine Garantie für zukünftige Krankheitsfreiheit kann selbst die beste Vorsorgestrategie nicht liefern, das wird oft verschwiegen. Gerne unerwähnt bleibt bei politischen Bekenntnissen zur Vorsorge auch, dass Vorsorge-Kampagnen unter Umständen recht teuer sein können und der Nutzen derselben meist erst Jahre später spürbar wird. 

 

Ein weiteres Merkmal von brauchbaren Vorsorgemaßnahmen ist, dass am Ende einer Präventionskampagne genug (finanzielle) Kapazitäten vorhanden sind, die neu entdeckten Kranken bzw. Risikofälle auch richtig zu versorgen. Es ist nämlich bei jeder größeren Vorsorge-Initiative zu erwarten, dass durch die Rahmenbedingungen plötzlich eine bisher als gesund eingestufte Population zum „Krankengut“ bzw. zur Risikogruppe wird.  

 

Die Medizin bietet gegenwärtig eine Unzahl von Untersuchungsarten, die bei den verschiedensten Krankheiten mehr oder weniger gut eingesetzt werden können. Viele dieser Methoden werden gerne auch in der Vorsorge angewendet – hier aber meist ohne rationale Grundlage bzw. ohne Gedanken an die Konsequenzen. Wendet man die Kriterien Leistbarkeit, Zumutbarkeit, Präventionsvermögen und wissenschaftliche Absicherung auf die gängigen Vorsorgemethoden an, bleiben nur wenige medizinische Handlungen, die man guten Gewissens für die Vorsorge empfehlen kann.

 

Als positives Beispiel sei hier wieder die Vorsorge-Darmspiegelung zur Verhütung des Darmkrebses erwähnt. Die Datenlage ist hier so klar, dass die allermeisten westlichen Länder diese Methode in ihre Vorsorge-Empfehlungen aufgenommen haben und es kaum noch Debatten gibt, in welchen Sinn und Nutzen der Coloskopie bezweifelt werden. Bei anderen etablierten Vorsorge-Methoden – wie etwa der Mammografie – ist das nicht so eindeutig, hier gibt es durchaus seriöse Kontra-Argumente.

 

Sinnvolle Vorsorge, individuell abgestimmt und von ärztlichen Experten empfohlen und durchgeführt, ist jedem Menschen anzuraten. Die besten Präventionsmaßnahmen sind aber immer noch jene, die man selber durchführen kann: Sport, richtige Ernährung, nicht rauchen, wenig trinken, auf das Gewicht schauen. Binsenweisheiten, zugegeben. Aber für Gesundheit und Gesundheitsbudgets allemal noch besser als so manche überflüssige, kostspielige und vielleicht sogar gefährliche Medizinmethode.

 

 

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Kommentare: 3
  • #1

    helmut-1 (Montag, 14 November 2016 07:02)

    Volle Zustimmung.
    Allerdings mit einer kleinen Differenzierung. Um es an einem Satz deutlich zu machen:
    "Es ist nämlich bei jeder größeren Vorsorge-Initiative zu erwarten, dass durch die Rahmenbedingungen plötzlich eine bisher als gesund eingestufte Population zum „Krankengut“ bzw. zur Risikogruppe wird. "

    Wobei man immer - kriminalistisch gesagt - in allen Richtungen ermitteln sollte. Stellt sich generell die Frage, ob die durch eine "größere Vorsorge-Initiative" plötzlich auftretende größere Anzahl der Patienten durch die Erkenntnis der Vorsorgeuntersuchung zum Krankheitsfall werden, oder durch sog. "Kollateralschäden" bei der entsprechenden Vorsorgeuntersuchung.

    Sollte letzteres der Fall sein, wird es mit Sicherheit von bestimmten Berufsgruppen nicht so schnell zugegeben: Ärzte, Pharmaindustrie, Hersteller von med.-techn. Geräten. Da braucht es wieder einen "Robin Hood in Weiß", der diese Dinge dann aufdeckt.

    Noch eine Bemerkung:
    "Im Überschwang der Vorsorgeempfehlungen wird aber meist verabsäumt, dem Publikum auch zu sagen, was konkret damit gemeint ist."

    Es wird oft auch noch was anderes versäumt. Nämlich die jeweilige Vorsorgeuntersuchung in einer allgemein verständlichen Sprache so zu erklären, dass keine Fragen offen bleiben und der Patient sich selbst mit dem pro und contra auseinandersetzen kann. Voraussetzung ist die weitestgehend vollständige Information, die nichts ausläßt, nichts verschweigt oder beschönigt.

    Wenn man das nicht zur Verfügung hat, dann geht man heutzutage ins Internet, versucht dort, sich die Informationen zu beschaffen, die man zur Entscheidungsfindung benötigt. Und dieses liebe Internet hat nun mal die Eigenschaft, vieles unterschiedlich darzustellen, schon von den Begriffen her. Damit fängt es ja an.

    Diese Aussage bezieht sich auf alle Vorsorgemaßnahmen, auch auf die Darmspiegelung. (Genaueres in einem meiner früheren Kommentare zu diesem Thema).

  • #2

    asisi1 (Montag, 14 November 2016 09:08)

    dieses Gesundheitswesen hat nichts mehr mit dem "gesund werden" zu tun.
    hier wird nur noch, von den beteiligten , ums geld gefeilscht. der mensch spielt eine untergeordnete rolle.
    will nur ein Beispiel anführen, aus meiner eigenen praxis. ich war 40 jahre selbstständiger masseur.
    Beispiel: bandscheibenoperationen, davon werden ca. 120.000 pro jahr durchgeführt.75% brauchten gar nicht sein, wenn die menschen frühzeitig durch massagen, fango, Unterwassermassagen etc. Besserung erlangen würden. aber diese Behandlungen werden nicht mehr verordnet, da kein verdienst für die Ärzteschaft und pharma dadurch generiert wird. die Krankenkassen und Politiker spielen hier die Pharisäer.
    das abschaffen der natürlichen heilweisen hat die menschen nicht gesünder und die Krankenkassen immer ärmer gemacht.

  • #3

    helmut-1 (Montag, 14 November 2016 11:45)

    asisi1:
    Wiederum volle Zustimmung.
    Aber hier sind mehrere Elemente, die an der Misere schuldhaft beteiligt sind.
    Bleiben wir beim Beispiel Bandscheiben.
    O.k., der Orthopäde, der Chirurg, - klar müssen die auch sehen ,wie sie ihre laufenden Kosten bewältigen. Das geht nur über Arbeit und Einkommen, - das heißt schließlich operieren, operieren und wieder operieren.

    Nehmen wir mal den Menschen (zum Patienten wird er ja erst später): Erklär mal jemanden, wie er sich zu bücken hat, wie er Lasten aufhebt, wie er richtige Rückengymnastik macht, damit er erst gar keine Probleme bekommt, usw. usw. Vielleicht hört derjenige noch etwas zu, lächelt süffisant, aber die wenigsten setzen es in die Tat um.

    Kenne das von meiner Frau. Sie sieht, dass ich mit 65 jeden Tag meine Morgengymnastik mache, Dehn- und Streckübungen, usw. Sie weiß, dass sie erhebliche Probleme mit dem Rücken hat, weil die stützende Muskulatur nicht richtig ausgebildet ist. Ich hab mit Engelszungen versucht, ihr die entsprechende Rückengymnastik beizubringen, - das hält ein paar Tage an, dann flachts ab, - bis zum nächsten Crash. Dann ist wieder der gute Wille da.

    Mal sehen, - wenn die kalte Jahrszeit beginnt, dann hab ich mehr Luft im Betrieb, - werde wieder mit dem Schwimmen anfangen. Hoffentlich kriege ich sie dazu, da mitzumachen. Kostet bei uns im Hallenbad bei einer Monatskarte unter 1 € pro Tag. Bei freier Zeiteinteilung ( 7 - 23 Uhr) und ohne Zeitbegrenzung. Ist mir meine Gesundheit wert.

    Unser Beruf (Garten- und Landschaftsbau) ist trotz aller Technologie mit schwerem Heben verbunden. Meinen Lehrlingen habe ich immer beigebracht, wie man richtig hebt. In welcher Position, Körperhaltung, usw. Die Reaktionen waren oftmals dürftig. Manche habens beherzigt, - die sind auch heute noch gesund.

    Wer ist da noch, neben dem Mediziner und dem zukünftigen Patienten? Die gesteuerte Meinungsbildung. Was das auch immer sein mag. Ob das nun von den Pharmakonzernen oder von sonst jemand gesteuert wird, - lassen wir die Antwort offen. Fest steht, dass immer versucht wird, alles, was über die Allopathie hinausgeht, zu verunglimpfen, lächerlich zu machen, in Zweifel zu stellen.

    Man bedient sich der Begriffe "Alternative Medizin", die in sich durch das Wort schon suspekt wirkt. Manche führt die Argumentation bis ins Esoterische, was noch mehr als suspekt erscheint. In Wiki wird der Begriff Esoterisch als solches beschrieben:
    "Des Weiteren wird das Adjektiv „esoterisch“ häufig abwertend im Sinne von „unverständlich“ oder „versponnen“ verwendet."

    Alles, was von den geldbringenden Methoden abweicht, alles, was gegen die überlieferte Norm ist, - das wird als böse dargestellt. Ohne es vorher gründlich zu überprüfen.

    Die vorgegebene Richtung geht einzig und allein dahin, dass man alles den Institutionen überläßt. Das eigenständige Denken, die Zusammenhänge und Abläufe der Biologie im Menschen, sich in präventiver Form dabei seine Gedanken zu machen, - das alles soll tabu sein.

    Denke, dass es besser ist, wenn ich nun aufhöre, ich könnte noch vieles anführen.