In der Hausgemeinschaft brodelt es

Folgen Sie mir bitte bei einem Gedankenexperiment. Stellen Sie sich vor: Im Dachgeschoß Ihres Hauses wohnt die Hausverwaltung. Es ist eine Familie, die den Lebenswandel, die wirtschaftliche Situation und das Verhalten der restlichen Mieter kontrollieren und auch über weite Strecken bestimmen will. Sie wurde einst von den anderen Mietern ausgewählt, das zu tun. Ziel war ein friedliches Zusammenleben im Haus. Mittlerweile hat sie aber ein arrogantes Eigenleben entwickelt und die anderen Parteien sind nicht mehr zufrieden mit der Verwaltung und mit der gesamten Wohnsituation.

 

Das liegt auch daran, weil die Zeiten unruhiger und gefährlicher geworden sind. Viele Unbekannte treiben sich in der Stadt herum und die Dach-Familie möchte und soll deswegen festlegen, wer von aussen ins Haus kommen darf und wer nicht. Sie schafft es aber auch in Dutzenden Beratungen nicht, einen konkreten Sicherheitsplan vorzulegen. Das führt zu wachsenden und großen Spannungen in der Hausgemeinschaft. Im Ostteil des Hauses rücken die Familien zusammen und entwerfen mit dem dort wohnenden starken Viktor eigene Pläne, wie mit der Situation umzugehen ist. Diese Pläne setzen sie auch um, was wiederum die Verwaltung heftig stört. Sie rügen ihn sogar, obwohl er nur die alten Hausregeln umsetzt.

 

Im Mitteltrakt des Hauses ist es am schwierigsten. Dort wohnt eine Familie mit einer dominanten Hausfrau, die das eingefleischte Bedürfnis hat, wahllos all den fremden Leuten von der Straße eine Heimstatt anzubieten. Ihr großes Lebensthema ist die permanente Einladung von Gästen. Sie tut dies, um ihre Humanität zu beweisen, weil sie auch der Überzeugung ist, die Mitteltraktbewohner hätten aufgrund einer uralten Schuld die Verpflichtung, so zu handeln. Egal, ob die Eingeladenen arm und obdachlos sind oder ob diese einfach nur essen und gratis wohnen und ihren Spass auf Kosten des Mitteltrakts haben wollen, alle dürfen kommen und sie müssen nicht einmal sagen, wie sie heißen. Die restlichen Familienmitglieder sind deswegen schon sehr aufgeregt und teils auch verängstigt. Einige sagen, sie wollen so nicht mehr leben. Und die Unzufriedenen in der großen Familie werden täglich mehr. auch die Nachbarn sind mitbetroffen und höchst beunruhigt. Meldungen an die Verwaltung sind schon erstattet worden.

 

Ein Nachbarjunge namens Sebastian fasst sich ein Herz und kritisiert dieses Verhalten der großen Nachbarsfamilie heftig. Er entwickelt sogar Pläne, um den Unfug der Mitteltraktfamilie abzustellen. Doch die Hausfrau reagiert nicht, sie sieht keinen Fehler bei sich. Und die wie immer schwache Verwaltung schwindelt sich mit Humanitätsphrasen um eine Entscheidung herum. Die Spannung steigt weiter, zumal sich die Gäste oft ungebührlich verhalten und das Stiegenhaus unsicher machen. Sebastian hat zwar im Südtrakt eine Sperre gebaut, es kommen aber trotzdem noch immer zahlreiche Fremde ins Haus, die in den Mitteltrakt wollen, weil sie angeblich eingeladen sind. Die anderen Mieter fürchten nicht nur um die Hausgemeinschaft, sondern mittlerweile auch um den Gesamtzustand des Gebäudes, viele sind der Meinung, diese Situation werde die Gemeinschaft kaputt machen.

 

Überdies kassiert die Dach-Familie von allen anderen Mietern und Familien im Haus Geld, das in einem Finanzpool verwaltet wird. Einzelne Mieter erhalten aufgrund ihrer gerade schlechten wirtschaftlichen Lage aus dem Pool wiederum Geld zurück - mehr als sie einzahlen. Die anderen sehen das naturgemäß mit Misstrauen. Man meint schon lange, dass speziell eine Familie im Südteil des Hauses eigentlich ausziehen sollte, weil sie sich aufgrund ihrer Finanzmisere nie wieder die Miete leisten können wird. Weitere Familien im Südtrakt werden ebenfalls argwöhnisch beäugt, die Situation ist dort ähnlich.

 

Im Nordwestteil der Anlage packen sich wegen der ständigen Querelen gerade die ohnehin schon langjährig unzufriedenen Bewohner zusammen, um endgültig auszuziehen. Sie haben genug von den vielen nur vom Mitteltrakt eingeladenen Gästen, sie haben genug von den Belehrungen, der Führungsschwäche und den Diskussionen mit der Dach-Familie und sie haben den Auszug in ihrer bekannt selbstbewussten Familie so abgestimmt - auch wenn das ihr Haushaltsvorstand David nicht so toll findet. Der Auszug hat die anderen Hausbewohner in massiven Aufruhr versetzt, einzelne andere Familien wollen folgen. Vor allem die sich als Leitungsteam gerierende Dachfamilie ist irritiert und zunächst einmal beleidigt, weil man doch immer nur das Beste für alle gewollt habe. Hinter der Irritation schimmert die völlige Handlungsunfähigkeit durch.

 

 

Die Hausverwalter oben am Dach verhalten sich nun überheblich und verständnislos gegenüber den Sorgen der Mieter in den niedrigen Trakten und Etagen und sie  haben natürlich auch keinen Plan bereit, wie man die Probleme lösen könnte. Sie reden nur und dreschen Phrasen. Man kann sich zu nichts durchringen. Immer mehr Familien nehmen deswegen jetzt ihr Schicksal selber in die Hand: Die einen ziehen ohnehin aus und die Parteien im Nordtrakt stellen so wie jene im Ostteil ihre eigene Regeln für das große Problem des ungehinderten, auf Einladung des Mitteltrakts erfolgten Zuzugs auf.

 

Von allen wird dieses Thema als das Wichtigste erachtet und gerade das wird von der Verwaltung nicht gelöst.

Alle wissen: Der Bestand und die Immobilie sind jetzt echt gefährdet, die Gemeinschaft droht zu zerbrechen. Ein guter Anfang wäre, würde die Dachfamilie ihre Verwaltungs- und Leitungsfunktion abgeben.  

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