Die letzte Waffe der Haltungs-Turner

Seit die Parteien rechts der Mitte dramatisch an Stärke gewonnen und die Linken im selben Maße ihre einstige Präsenz verloren haben, suchen letztere verzweifelt nach neuen Inhalten. Aber es will ihnen nicht und nicht gelingen, sich neu zu positionieren. Nur noch die Überzeugung, als Linker moralisch a priori immer im Recht zu sein, bietet den Marx-Epigonen und all ihren weltanschaulichen Verwandten im roten und grünen Spektrum jenen Halt, den sie als Fundament für ihre Einstellung brauchen.

 

Der Nachteil der "Haltung"

Die politische Einstellung und die "Haltung" (wie man derzeit so schön sagt) haben aber einen gravierenden Nachteil, wenn sie nur auf Gefühlen und auf moralischen Ansprüchen beruhen:  Sie lassen sich nicht zu Ende argumentieren und auch nicht mit vernünftigen Einwänden fundieren. Das führt bei politischen Debatten zwangsweise zu argen diskursiven Nöten für die linken Gesinnungsethiker.

 

Diese Nöte können nur durch den permanenten Frontal-Angriff auf den politischen Gegner behoben werden. Das Motto namens "Kampf gegen Rechts" und neuerdings, aus Deutschland kommend, der Ruf #NazisRaus sowie überhaupt der Dauergebrauch der Nazi-Keule als letzter Waffe bilden deswegen die finalen Eckpfeiler der roten und mehr noch der grünen Ideologie. Man definiert sich nicht (mehr) durch eigene politische Ideen, sondern durch eine intellektuell unredliche Haltungs-Turnerei, bei der man mit der genannten Keule wilde Akrobatik und wahlloses Hindreschen auf alle Andersmeinenden betreibt.

 

Auch sachlich falsch

Die Sache mit der Nazi-Keule ist aber nicht nur deswegen eine intellektuelle Unredlichkeit, weil sie ohne argumentativen Unterbau daherkommt, sie ist überdies auch aus historischer Sicht in ihrer Begrifflichkeit falsch. Denn - was ist eigentlich ein Nazi? In den Zeiten des Nationalsozialismus und in den Jahren danach wurde der Begriff für diejenigen gebraucht, die "dabei" waren - also Mitglieder oder Sympathisanten der NSDAP. Nach dem Untergang des NS im Jahre 1945 wurde die Partei verboten und zahllose Nazis wurden in Deutschland wie in Österreich in Prozessen und Umerziehungslagern wortwörtlich entnazifiziert. Ein echter (ehemaliger) Nazi muss also heute mindestens 90 Jahre alt sein, wenn er zum Ende des Dritten Reichs volljährig war und damals noch schnell Mitglied der NSDAP wurde. Anders gesagt: Die (ehemaligen) Nazis sind heute Greise oder schon tot. Man verwendet somit in den allermeisten Fällen eine unzutreffende Bezeichnung, wenn man Menschen, die damals nicht dabei oder noch gar nicht geboren waren, heute als Nazi bezeichnet.

 

Im Strafrecht angesiedelt

Man gelangt mit dieser falschen Nomenklatur auch in juristisch heikle Gefilde: Die NSDAP gibt es zum Glück nicht mehr und jede deklarierte Sympathie mit der unseligen Ideologie ist in Österreich strafbar. Wenn heute jemand wirklich ein (Neo-)Nazi im Sinne der Wiederbetätigung ist, dann muss er angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden. So will es das Verbots-Gesetz. Die NS-Wiederbetätigung ist sogar ein Offizialdelikt. Das heisst, der Staatsanwalt muss im Verdachtsfall von sich aus tätig werden. Wer also glaubt, jemand ist ein Nazi, der soll die Gerichte bzw. die Staatsanwälte bemühen statt in den Medien die Auferstehung der braunen Horden herbeizuschreiben oder in der Politik ständig vor der Wiederkehr der furchtbaren Zeiten zu warnen. Allerdings sollte man im Anzeigsfalle handfeste Beweise und nicht nur die Bezeichnung "Nazi!" gebrüllt haben, sonst könnte es ziemlich peinlich für die selbsternannten Nazi-Jäger werden.

 

Etwas anders ist die Situation in Deutschland: Hier gibt es kein spezifisches NS-Verbotsgesetz, dafür aber eine umfangreiche Judikatur des deutschen Bundesverfassungsgerichts, die in speziellen Fällen die strafrechtliche Verfolgung von NS-Sympathisanten möglich macht.  Sinngemäß gilt jedoch für Deutschland dasselbe. Wer einen anderen "Nazi!" nennt, sollte tunlichst Beweise für Richtigkeit dieser Bezeichnung haben, denn man kann damit einen juristischen Prozess ins Rollen bringen oder sich als Antifa-Kämpfer ziemlich lächerlich machen. 

 

Das letzte Mittel

Klar ist, dass die Nazi-Keule das letzte und offensichtlich auch einzige Argumentationsmittel derjenigen Leute ist, die mit einer Politik rechts der Mitte nicht einverstanden sind. Es ist natürlich legitim, eine andere Politik zu wollen - nur sollte man dann halt sagen können, welche genau das sein soll und man sollte rationale Argumente dafür finden. Nur "Nazi!" zu schreien und sich im eigenen Hypermoralismus zu suhlen ist für die Darstellung einer politischen Alternative jedenfalls zu wenig.

 

Wie soll man da noch diskutieren?

Die politischen Sachdebatten, die immer wieder von genau jenen eingefordert werden, die ständig die abgedroschene N-Keule schwingen, sind im "Nazi!"-Geschrei nicht möglich. Man wird daher den Verdacht nicht los, dass die aktuelle Inhaltsleere der linken Ideologie und die weitgehend fehlenden klaren Ziele im linken politischen Spektrum mit dem antifaschistischen Gebrüll einfach nur überdeckt werden sollen. Und das ist das eigentlich Erschütternde: Die Linke kann sich heute offenbar nur noch über Negativismen, Protesthaltungen und so überzogene wie künstliche, dafür aber endlose pseudomoralische Empörungen und aufgeregte Antifa-Positionen definieren. Ein Armutszeugnis.

 

 

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Kommentare: 9
  • #1

    Awp (Donnerstag, 10 Januar 2019 00:55)

    Absolut korrekt!!
    Erstaunlich ist nur das diese linken, daran festhalten!?
    Das Boot säuft ab, und man klammert sich an den Strohhalm, in der Hoffnung man werde weiter schwimmen!! Ist die Ratio komplett verloren?? Oder müssen sie durchhalten, bis...? Erstaunlich auch das der "Deep State" davon betroffen ist!! Richter urteilen parteiisch! MEDIEN berichten manipullativ! Hier wurden über Jahrzehnte Hilfstruppen installiert!!! Wofür???
    Wer gewinnt wenn Deutschland und/oder EU kapput ist???

  • #2

    M. Sachse (Donnerstag, 10 Januar 2019 08:48)

    Der inflationäre Missbrauch des Begriffs "Nazi" ist eine unzulässige Relativierung der Verbrechen des NS-Regimes. Dessen sollten sich diejenigen bewusst werden, die ihn permanent gegen Andersdenkende zu Diffamierung in Stellung bringen.

  • #3

    Bob der Hesse (Donnerstag, 10 Januar 2019 08:52)

    Um es mit Ignaz Bubis zu sagen (in einem Radiointerview vom Hessischen Rundfunk ~ in den 90zigern):
    "Wer die heutigen Rechtsradikalen als Nazis bezeichnet, relativiert die Verbrechen der Nationalsozialisten und beleidigt die Opfer des Holocausts!"

  • #4

    Crusader (Donnerstag, 10 Januar 2019 09:49)

    Kleiner Widerspruch zum Artikel, die "letzte Waffe" der linken Hetzer*innen wird nicht die "Nazikeule" sein, sondern der tatsächliche Krieg gegen Rechts....
    Wohlan......an mir soll`s nicht scheitern.........

  • #5

    Karl (Donnerstag, 10 Januar 2019 14:21)

    @AWP
    Genau die gleichen Fragen stelle ich mir auch.
    Mittlerweile bin ich aber zu der Überzeugung gekommen, dass die Parallelen zum Untergang des 3.Reiches nicht zu übersehen sind. Die Linken heutzutage befinden sich in der "Volkssturm" phase und hoffen noch auf den "Endsieg", obwohl die Niederlage unaufhaltbar angerollt kommt.

  • #6

    Eismann (Donnerstag, 10 Januar 2019 15:24)

    "Nazi" ist eine Verniedlichungsform von "Nationalsozialisten"
    Der Begriff Nazi war in den Jahren gebräulich
    Sogar Göbbels sprach von:" Wir Nazis ..." in einer Bild-u. Tonaufzeichnung noch vor
    1933

  • #7

    Wilhelm Scheidl (Donnerstag, 10 Januar 2019 22:53)

    Das ist schon sehr eigenartig: Den National-Sozialismus hat man verboten. Und Sozialismus in der heutigen Form hat man mit "sozial" in Verbindung gebracht. Und der Schmähbegriff der "sozialen Gerechtigkeit" funktioniert immer noch, nicht nur bei den Sozialisten. Das Problem ist also nicht das nationale sondern das sozialistische Element. Unabhängig von den Gräueltaten des NS-Regimes besteht zwischen dem National-Sozialismus und dem heutigen International-Sozialismus nur ein gradueller Unterschied und führt daher mit Sicherheit auch in den Abgrund.

  • #8

    Rauchmelder (Freitag, 11 Januar 2019 19:21)

    Die Linken haben sich weitgehend von der Nation entfernt und somit können sie sich kaum noch auf konkrete Sachfragen beziehen, nur die globalen Themen bleiben noch: Klimawandel, Weltstaat (was sie aber nicht so direkt sagen dürfen), und natürlich die Gleichheit.

  • #9

    unbedeutend (Freitag, 11 Januar 2019 23:13)

    Die meisten Nazis hatte doch Dr. Bruno Kreisky in seiner Regierung.
    Von ihm stammt auch die "Fristenlösung", der bereits über 1 Million Menschen zum Opfer gefallen sind.